nicht unmittelbar, doch durch Filiation vom göttlichen Wesen herstammt, eben so unbe¬ dingt mächtig und ewig ist, als der Vater und die Großältern. Da nun das ganze Un¬ heil, wenn wir es so nennen dürfen, bloß durch die einseitige Richtung Lucifers ent¬ stand; so fehlte freylich dieser Schöpfung die bessere Hälfte: denn alles was durch Con¬ centration gewonnen wird, besaß sie, aber es fehlte ihr alles was durch Expansion allein bewirkt werden kann; und so hätte die sämmt¬ liche Schöpfung durch immerwährende Con¬ centration sich selbst aufreiben, sich mit ihrem Vater Lucifer vernichten und alle ihre An¬ sprüche an eine gleiche Ewigkeit mit der Gottheit verlieren können. Diesem Zustand sahen die Elohim eine Weile zu, und sie hat¬ ten die Wahl jene Aeonen abzuwarten, in welchen das Feld wieder rein geworden und ihnen Raum zu einer neuen Schöpfung ge¬ blieben wäre, oder ob sie in das Gegenwär¬ tige eingreifen und dem Mangel nach ihrer
nicht unmittelbar, doch durch Filiation vom goͤttlichen Weſen herſtammt, eben ſo unbe¬ dingt maͤchtig und ewig iſt, als der Vater und die Großaͤltern. Da nun das ganze Un¬ heil, wenn wir es ſo nennen duͤrfen, bloß durch die einſeitige Richtung Lucifers ent¬ ſtand; ſo fehlte freylich dieſer Schoͤpfung die beſſere Haͤlfte: denn alles was durch Con¬ centration gewonnen wird, beſaß ſie, aber es fehlte ihr alles was durch Expanſion allein bewirkt werden kann; und ſo haͤtte die ſaͤmmt¬ liche Schoͤpfung durch immerwaͤhrende Con¬ centration ſich ſelbſt aufreiben, ſich mit ihrem Vater Lucifer vernichten und alle ihre An¬ ſpruͤche an eine gleiche Ewigkeit mit der Gottheit verlieren koͤnnen. Dieſem Zuſtand ſahen die Elohim eine Weile zu, und ſie hat¬ ten die Wahl jene Aeonen abzuwarten, in welchen das Feld wieder rein geworden und ihnen Raum zu einer neuen Schoͤpfung ge¬ blieben waͤre, oder ob ſie in das Gegenwaͤr¬ tige eingreifen und dem Mangel nach ihrer
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dingt maͤchtig und ewig iſt, als der Vater
und die Großaͤltern. Da nun das ganze Un¬
heil, wenn wir es ſo nennen duͤrfen, bloß
durch die einſeitige Richtung Lucifers ent¬
ſtand; ſo fehlte freylich dieſer Schoͤpfung die
beſſere Haͤlfte: denn alles was durch Con¬
centration gewonnen wird, beſaß ſie, aber es
fehlte ihr alles was durch Expanſion allein
bewirkt werden kann; und ſo haͤtte die ſaͤmmt¬
liche Schoͤpfung durch immerwaͤhrende Con¬
centration ſich ſelbſt aufreiben, ſich mit ihrem
Vater Lucifer vernichten und alle ihre An¬
ſpruͤche an eine gleiche Ewigkeit mit der
Gottheit verlieren koͤnnen. Dieſem Zuſtand
ſahen die Elohim eine Weile zu, und ſie hat¬
ten die Wahl jene Aeonen abzuwarten, in
welchen das Feld wieder rein geworden und
ihnen Raum zu einer neuen Schoͤpfung ge¬
blieben waͤre, oder ob ſie in das Gegenwaͤr¬
tige eingreifen und dem Mangel nach ihrer
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/341>, abgerufen am 24.11.2024.
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