ren gleich, zu geben nicht verabsäumen muß, und die man doch weder mit Logik noch Me¬ taphysit, Latein oder Griechisch cultiviren kann: wir haben eine Einbildungskraft, der wir, wofern sie sich nicht der ersten besten Vorstellungen selbst bemächtigen soll, die schick¬ lichsten und schönsten Bilder vorlegen und da¬ durch das Gemüth gewöhnen und üben müs¬ sen, das Schöne überall und in der Natur selbst, unter seinen bestimmten, wahren und auch in den feineren Zügen zu erkennen und zu lieben. Wir haben eine Menge Begriffe und allgemeine Kenntnisse nöthig, sowohl für die Wissenschaften als für das tägliche Leben, die sich aus keinem Compendio erlernen las¬ sen. Unsere Empfindungen, Neigungen, Lei¬ denschaften sollen mit Vortheil entwickelt und gereinigt werden."
Diese bedeutende Stelle, welche sich in der allgemeinen deutschen Bibliothek vorfand, war nicht die einzige in ihrer Art. Von gar
ren gleich, zu geben nicht verabſaͤumen muß, und die man doch weder mit Logik noch Me¬ taphyſit, Latein oder Griechiſch cultiviren kann: wir haben eine Einbildungskraft, der wir, wofern ſie ſich nicht der erſten beſten Vorſtellungen ſelbſt bemaͤchtigen ſoll, die ſchick¬ lichſten und ſchoͤnſten Bilder vorlegen und da¬ durch das Gemuͤth gewoͤhnen und uͤben muͤſ¬ ſen, das Schoͤne uͤberall und in der Natur ſelbſt, unter ſeinen beſtimmten, wahren und auch in den feineren Zuͤgen zu erkennen und zu lieben. Wir haben eine Menge Begriffe und allgemeine Kenntniſſe noͤthig, ſowohl fuͤr die Wiſſenſchaften als fuͤr das taͤgliche Leben, die ſich aus keinem Compendio erlernen laſ¬ ſen. Unſere Empfindungen, Neigungen, Lei¬ denſchaften ſollen mit Vortheil entwickelt und gereinigt werden.“
Dieſe bedeutende Stelle, welche ſich in der allgemeinen deutſchen Bibliothek vorfand, war nicht die einzige in ihrer Art. Von gar
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ren gleich, zu geben nicht verabſaͤumen muß,
und die man doch weder mit Logik noch Me¬
taphyſit, Latein oder Griechiſch cultiviren
kann: wir haben eine Einbildungskraft, der
wir, wofern ſie ſich nicht der erſten beſten
Vorſtellungen ſelbſt bemaͤchtigen ſoll, die ſchick¬
lichſten und ſchoͤnſten Bilder vorlegen und da¬
durch das Gemuͤth gewoͤhnen und uͤben muͤſ¬
ſen, das Schoͤne uͤberall und in der Natur
ſelbſt, unter ſeinen beſtimmten, wahren und
auch in den feineren Zuͤgen zu erkennen und
zu lieben. Wir haben eine Menge Begriffe
und allgemeine Kenntniſſe noͤthig, ſowohl fuͤr
die Wiſſenſchaften als fuͤr das taͤgliche Leben,
die ſich aus keinem Compendio erlernen laſ¬
ſen. Unſere Empfindungen, Neigungen, Lei¬
denſchaften ſollen mit Vortheil entwickelt und
gereinigt werden.“
Dieſe bedeutende Stelle, welche ſich in
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/348>, abgerufen am 24.11.2024.
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