Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

wo ein Gesetz entsprungen, was die innere
oder äußere Veranlassung dazu gegeben; man
untersucht nicht, wie es sich durch Zeit und
Gewohnheit abgeändert, so wenig als in wie¬
fern es sich durch falsche Auslegung oder ver¬
kehrten Gerichtsbrauch vielleicht gar umge¬
wendet. In solchen Forschungen bringen ge¬
lehrte Männer ganz eigens ihr Leben zu;
wir aber fragen nach dem was gegenwärtig
besteht, dieß prägen wir unserm Gedächtniß
fest ein, daß es uns stets gegenwärtig sey,
wenn wir uns dessen zu Nutz und Schutz
unserr Clienten bedienen wollen. So statten
wir unsre jungen Leute fürs nächste Leben
aus, und das Weitere findet sich nach Ver¬
hältniß ihrer Talente und ihrer Thätigkeit.
Er übergab mir hierauf seine Hefte, welche
in Fragen und Antworten geschrieben waren
und woraus ich mich sogleich ziemlich konnte
examiniren lassen, weil Hopps kleiner juristi¬
scher Katechismus mir noch vollkommen im
Gedächtniß stand; das Uebrige supplirte ich

wo ein Geſetz entſprungen, was die innere
oder aͤußere Veranlaſſung dazu gegeben; man
unterſucht nicht, wie es ſich durch Zeit und
Gewohnheit abgeaͤndert, ſo wenig als in wie¬
fern es ſich durch falſche Auslegung oder ver¬
kehrten Gerichtsbrauch vielleicht gar umge¬
wendet. In ſolchen Forſchungen bringen ge¬
lehrte Maͤnner ganz eigens ihr Leben zu;
wir aber fragen nach dem was gegenwaͤrtig
beſteht, dieß praͤgen wir unſerm Gedaͤchtniß
feſt ein, daß es uns ſtets gegenwaͤrtig ſey,
wenn wir uns deſſen zu Nutz und Schutz
unſerr Clienten bedienen wollen. So ſtatten
wir unſre jungen Leute fuͤrs naͤchſte Leben
aus, und das Weitere findet ſich nach Ver¬
haͤltniß ihrer Talente und ihrer Thaͤtigkeit.
Er uͤbergab mir hierauf ſeine Hefte, welche
in Fragen und Antworten geſchrieben waren
und woraus ich mich ſogleich ziemlich konnte
examiniren laſſen, weil Hopps kleiner juriſti¬
ſcher Katechismus mir noch vollkommen im
Gedaͤchtniß ſtand; das Uebrige ſupplirte ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0364" n="356"/>
wo ein Ge&#x017F;etz ent&#x017F;prungen, was die innere<lb/>
oder a&#x0364;ußere Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu gegeben; man<lb/>
unter&#x017F;ucht nicht, wie es &#x017F;ich durch Zeit und<lb/>
Gewohnheit abgea&#x0364;ndert, &#x017F;o wenig als in wie¬<lb/>
fern es &#x017F;ich durch fal&#x017F;che Auslegung oder ver¬<lb/>
kehrten Gerichtsbrauch vielleicht gar umge¬<lb/>
wendet. In &#x017F;olchen For&#x017F;chungen bringen ge¬<lb/>
lehrte Ma&#x0364;nner ganz eigens ihr Leben zu;<lb/>
wir aber fragen nach dem was gegenwa&#x0364;rtig<lb/>
be&#x017F;teht, dieß pra&#x0364;gen wir un&#x017F;erm Geda&#x0364;chtniß<lb/>
fe&#x017F;t ein, daß es uns &#x017F;tets gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;ey,<lb/>
wenn wir uns de&#x017F;&#x017F;en zu Nutz und Schutz<lb/>
un&#x017F;err Clienten bedienen wollen. So &#x017F;tatten<lb/>
wir un&#x017F;re jungen Leute fu&#x0364;rs na&#x0364;ch&#x017F;te Leben<lb/>
aus, und das Weitere findet &#x017F;ich nach Ver¬<lb/>
ha&#x0364;ltniß ihrer Talente und ihrer Tha&#x0364;tigkeit.<lb/>
Er u&#x0364;bergab mir hierauf &#x017F;eine Hefte, welche<lb/>
in Fragen und Antworten ge&#x017F;chrieben waren<lb/>
und woraus ich mich &#x017F;ogleich ziemlich konnte<lb/>
examiniren la&#x017F;&#x017F;en, weil Hopps kleiner juri&#x017F;ti¬<lb/>
&#x017F;cher Katechismus mir noch vollkommen im<lb/>
Geda&#x0364;chtniß &#x017F;tand; das Uebrige &#x017F;upplirte ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0364] wo ein Geſetz entſprungen, was die innere oder aͤußere Veranlaſſung dazu gegeben; man unterſucht nicht, wie es ſich durch Zeit und Gewohnheit abgeaͤndert, ſo wenig als in wie¬ fern es ſich durch falſche Auslegung oder ver¬ kehrten Gerichtsbrauch vielleicht gar umge¬ wendet. In ſolchen Forſchungen bringen ge¬ lehrte Maͤnner ganz eigens ihr Leben zu; wir aber fragen nach dem was gegenwaͤrtig beſteht, dieß praͤgen wir unſerm Gedaͤchtniß feſt ein, daß es uns ſtets gegenwaͤrtig ſey, wenn wir uns deſſen zu Nutz und Schutz unſerr Clienten bedienen wollen. So ſtatten wir unſre jungen Leute fuͤrs naͤchſte Leben aus, und das Weitere findet ſich nach Ver¬ haͤltniß ihrer Talente und ihrer Thaͤtigkeit. Er uͤbergab mir hierauf ſeine Hefte, welche in Fragen und Antworten geſchrieben waren und woraus ich mich ſogleich ziemlich konnte examiniren laſſen, weil Hopps kleiner juriſti¬ ſcher Katechismus mir noch vollkommen im Gedaͤchtniß ſtand; das Uebrige ſupplirte ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/364
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/364>, abgerufen am 20.05.2024.