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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Blumen und Früchte dagegen an sie getragen
hatte, in aller Frühe sagen, ich möchte heute
ja nicht fehlen. Ich kam zur gewöhnlichen
Stunde und fand den Vater allein, der an
meinen Tritten und Schritten, an meinem
Gehen und Kommen, an meinem Tragen und
Behaben noch manches ausbesserte und übri¬
gens mit mir zufrieden schien. Die jüngste
kam gegen das Ende der Stunde und tanzte
mit mir eine sehr graziöse Menuet, in der sie
sich außerordentlich angenehm bewegte, und
der Vater versicherte, nicht leicht ein hübsche¬
res und gewandteres Paar auf seinem Plane
gesehen zu haben. Nach der Stunde ging
ich wie gewöhnlich ins Wohnzimmer; der Va¬
ter ließ uns allein, ich vermißte Lucinden. --
Sie liegt im Bette, sagte Emilie, und ich
sehe es gern: haben Sie deshalb keine Sor¬
ge. Ihre Seelenkrankheit lindert sich am er¬
sten, wenn sie sich körperlich für krank hält;
sterben mag sie nicht gern, und so thut sie als¬
dann was wir wollen. Wir haben gewisse

Blumen und Fruͤchte dagegen an ſie getragen
hatte, in aller Fruͤhe ſagen, ich moͤchte heute
ja nicht fehlen. Ich kam zur gewoͤhnlichen
Stunde und fand den Vater allein, der an
meinen Tritten und Schritten, an meinem
Gehen und Kommen, an meinem Tragen und
Behaben noch manches ausbeſſerte und uͤbri¬
gens mit mir zufrieden ſchien. Die juͤngſte
kam gegen das Ende der Stunde und tanzte
mit mir eine ſehr grazioͤſe Menuet, in der ſie
ſich außerordentlich angenehm bewegte, und
der Vater verſicherte, nicht leicht ein huͤbſche¬
res und gewandteres Paar auf ſeinem Plane
geſehen zu haben. Nach der Stunde ging
ich wie gewoͤhnlich ins Wohnzimmer; der Va¬
ter ließ uns allein, ich vermißte Lucinden. —
Sie liegt im Bette, ſagte Emilie, und ich
ſehe es gern: haben Sie deshalb keine Sor¬
ge. Ihre Seelenkrankheit lindert ſich am er¬
ſten, wenn ſie ſich koͤrperlich fuͤr krank haͤlt;
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[436/0444] Blumen und Fruͤchte dagegen an ſie getragen hatte, in aller Fruͤhe ſagen, ich moͤchte heute ja nicht fehlen. Ich kam zur gewoͤhnlichen Stunde und fand den Vater allein, der an meinen Tritten und Schritten, an meinem Gehen und Kommen, an meinem Tragen und Behaben noch manches ausbeſſerte und uͤbri¬ gens mit mir zufrieden ſchien. Die juͤngſte kam gegen das Ende der Stunde und tanzte mit mir eine ſehr grazioͤſe Menuet, in der ſie ſich außerordentlich angenehm bewegte, und der Vater verſicherte, nicht leicht ein huͤbſche¬ res und gewandteres Paar auf ſeinem Plane geſehen zu haben. Nach der Stunde ging ich wie gewoͤhnlich ins Wohnzimmer; der Va¬ ter ließ uns allein, ich vermißte Lucinden. — Sie liegt im Bette, ſagte Emilie, und ich ſehe es gern: haben Sie deshalb keine Sor¬ ge. Ihre Seelenkrankheit lindert ſich am er¬ ſten, wenn ſie ſich koͤrperlich fuͤr krank haͤlt; ſterben mag ſie nicht gern, und ſo thut ſie als¬ dann was wir wollen. Wir haben gewiſſe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/444>, abgerufen am 23.11.2024.