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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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höheren Kreise, der zwar in sich abgeschlos¬
sen, aber auch zugleich der äußeren Sitte,
der Aufmerksamkeit gegen die Welt gewidmet
war, entschied sich seine Richtung noch mehr.
Ein gefaßtes Betragen, eine abgemessene Re¬
de, ein Laconismus, selbst wenn er offen
und entscheidend sprach, gaben ihm durch
sein ganzes Leben ein gewisses diplomati¬
sches, ministerielles Ansehn, das mit jenen
zarten Naturgesinnungen im Widerstreit zu
liegen schien, obgleich beyde aus Einer Quel¬
le entsprangen. Von allem diesen geben seine
ersten Werke ein reines Ab- und Vorbild,
und sie mußten daher einen unglaublichen
Einfluß gewinnen. Daß er jedoch persönlich
Andere strebende im Leben und Dichten ge¬
fördert, ist kaum als eine seiner entschiede¬
nen Eigenschaften zur Sprache gekommen.

Aber eben ein solches Förderniß junger
Leute im litterarischen Thun und Treiben,
eine Lust, hoffnungsvolle, vom Glück nicht

hoͤheren Kreiſe, der zwar in ſich abgeſchloſ¬
ſen, aber auch zugleich der aͤußeren Sitte,
der Aufmerkſamkeit gegen die Welt gewidmet
war, entſchied ſich ſeine Richtung noch mehr.
Ein gefaßtes Betragen, eine abgemeſſene Re¬
de, ein Laconismus, ſelbſt wenn er offen
und entſcheidend ſprach, gaben ihm durch
ſein ganzes Leben ein gewiſſes diplomati¬
ſches, miniſterielles Anſehn, das mit jenen
zarten Naturgeſinnungen im Widerſtreit zu
liegen ſchien, obgleich beyde aus Einer Quel¬
le entſprangen. Von allem dieſen geben ſeine
erſten Werke ein reines Ab- und Vorbild,
und ſie mußten daher einen unglaublichen
Einfluß gewinnen. Daß er jedoch perſoͤnlich
Andere ſtrebende im Leben und Dichten ge¬
foͤrdert, iſt kaum als eine ſeiner entſchiede¬
nen Eigenſchaften zur Sprache gekommen.

Aber eben ein ſolches Foͤrderniß junger
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[453/0461] hoͤheren Kreiſe, der zwar in ſich abgeſchloſ¬ ſen, aber auch zugleich der aͤußeren Sitte, der Aufmerkſamkeit gegen die Welt gewidmet war, entſchied ſich ſeine Richtung noch mehr. Ein gefaßtes Betragen, eine abgemeſſene Re¬ de, ein Laconismus, ſelbſt wenn er offen und entſcheidend ſprach, gaben ihm durch ſein ganzes Leben ein gewiſſes diplomati¬ ſches, miniſterielles Anſehn, das mit jenen zarten Naturgeſinnungen im Widerſtreit zu liegen ſchien, obgleich beyde aus Einer Quel¬ le entſprangen. Von allem dieſen geben ſeine erſten Werke ein reines Ab- und Vorbild, und ſie mußten daher einen unglaublichen Einfluß gewinnen. Daß er jedoch perſoͤnlich Andere ſtrebende im Leben und Dichten ge¬ foͤrdert, iſt kaum als eine ſeiner entſchiede¬ nen Eigenſchaften zur Sprache gekommen. Aber eben ein ſolches Foͤrderniß junger Leute im litterariſchen Thun und Treiben, eine Luſt, hoffnungsvolle, vom Gluͤck nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/461>, abgerufen am 22.11.2024.