gen die Welt doch nur klein, und gegen ein bewegteres Leben betrachtet, waren ihre äu¬ ßeren Verhältnisse nichtig. Der Tag ist lang und die Nacht dazu; man kann nicht im¬ mer dichten, thun oder geben; ihre Zeit konnte nicht ausgefüllt werden, wie die der Weltleute, Vornehmen und Reichen; sie leg¬ ten daher auf ihre besondern engen Zustände einen zu hohen Werth, in ihr tägliches Thun und Treiben eine Wichtigkeit, die sie sich nur unter einander zugestehn mochten; sie freuten sich mehr als billig ihrer Scherze, die, wenn sie den Augenblick anmuthig mach¬ ten, doch in der Folge keineswegs für bedeu¬ tend gelten konnten. Sie empfingen von An¬ dern Lob und Ehre wie sie verdienten, sie gaben solche zurück, wohl mit Maß, aber doch immer zu reichlich, und eben weil sie fühlten, daß ihre Neigung viel werth sey, so gefielen sie sich, dieselbe wiederholt aus¬ zudrücken, und schonten hierbey weder Pa¬ pier noch Dinte. So entstanden jene Brief¬
gen die Welt doch nur klein, und gegen ein bewegteres Leben betrachtet, waren ihre aͤu¬ ßeren Verhaͤltniſſe nichtig. Der Tag iſt lang und die Nacht dazu; man kann nicht im¬ mer dichten, thun oder geben; ihre Zeit konnte nicht ausgefuͤllt werden, wie die der Weltleute, Vornehmen und Reichen; ſie leg¬ ten daher auf ihre beſondern engen Zuſtaͤnde einen zu hohen Werth, in ihr taͤgliches Thun und Treiben eine Wichtigkeit, die ſie ſich nur unter einander zugeſtehn mochten; ſie freuten ſich mehr als billig ihrer Scherze, die, wenn ſie den Augenblick anmuthig mach¬ ten, doch in der Folge keineswegs fuͤr bedeu¬ tend gelten konnten. Sie empfingen von An¬ dern Lob und Ehre wie ſie verdienten, ſie gaben ſolche zuruͤck, wohl mit Maß, aber doch immer zu reichlich, und eben weil ſie fuͤhlten, daß ihre Neigung viel werth ſey, ſo gefielen ſie ſich, dieſelbe wiederholt aus¬ zudruͤcken, und ſchonten hierbey weder Pa¬ pier noch Dinte. So entſtanden jene Brief¬
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gen die Welt doch nur klein, und gegen ein
bewegteres Leben betrachtet, waren ihre aͤu¬
ßeren Verhaͤltniſſe nichtig. Der Tag iſt lang
und die Nacht dazu; man kann nicht im¬
mer dichten, thun oder geben; ihre Zeit
konnte nicht ausgefuͤllt werden, wie die der
Weltleute, Vornehmen und Reichen; ſie leg¬
ten daher auf ihre beſondern engen Zuſtaͤnde
einen zu hohen Werth, in ihr taͤgliches Thun
und Treiben eine Wichtigkeit, die ſie ſich
nur unter einander zugeſtehn mochten; ſie
freuten ſich mehr als billig ihrer Scherze,
die, wenn ſie den Augenblick anmuthig mach¬
ten, doch in der Folge keineswegs fuͤr bedeu¬
tend gelten konnten. Sie empfingen von An¬
dern Lob und Ehre wie ſie verdienten, ſie
gaben ſolche zuruͤck, wohl mit Maß, aber
doch immer zu reichlich, und eben weil ſie
fuͤhlten, daß ihre Neigung viel werth ſey,
ſo gefielen ſie ſich, dieſelbe wiederholt aus¬
zudruͤcken, und ſchonten hierbey weder Pa¬
pier noch Dinte. So entſtanden jene Brief¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/464>, abgerufen am 22.11.2024.
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