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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Mitwirkung, wodurch mir Dinge geworden,
die mir lieb und werth sind, Gerechtigkeit
wiederfahren zu lassen. Das was uns um¬
giebt erhält dadurch ein Leben, wir sehen es
in geistiger, liebevoller, genetischer Verknüp¬
fung, und durch das Vergegenwärtigen ver¬
gangener Zustände wird das augenblickliche
Daseyn erhöht und bereichert, die Urheber
der Gaben steigen wiederholt vor der Ein¬
bildungskraft hervor, man verknüpft mit ih¬
rem Bilde eine angenehme Erinnerung, macht
sich den Undank unmöglich und ein gelegent¬
liches Erwiedern leicht und wünschenswerth.
Zugleich wird man auf die Betrachtung des¬
jenigen geführt, was nicht sinnlicher Besitz
ist, und man recapitulirt gar gern, woher
sich unsere höheren Güter schreiben und datiren.

Ehe ich nun von jenem für mich so be¬
deutenden und folgereichen Verhältnisse zu Her¬
dern den Blick hinwegwende, finde ich noch
einiges nachzubringen. Es war nichts natür¬

Mitwirkung, wodurch mir Dinge geworden,
die mir lieb und werth ſind, Gerechtigkeit
wiederfahren zu laſſen. Das was uns um¬
giebt erhaͤlt dadurch ein Leben, wir ſehen es
in geiſtiger, liebevoller, genetiſcher Verknuͤp¬
fung, und durch das Vergegenwaͤrtigen ver¬
gangener Zuſtaͤnde wird das augenblickliche
Daſeyn erhoͤht und bereichert, die Urheber
der Gaben ſteigen wiederholt vor der Ein¬
bildungskraft hervor, man verknuͤpft mit ih¬
rem Bilde eine angenehme Erinnerung, macht
ſich den Undank unmoͤglich und ein gelegent¬
liches Erwiedern leicht und wuͤnſchenswerth.
Zugleich wird man auf die Betrachtung des¬
jenigen gefuͤhrt, was nicht ſinnlicher Beſitz
iſt, und man recapitulirt gar gern, woher
ſich unſere hoͤheren Guͤter ſchreiben und datiren.

Ehe ich nun von jenem fuͤr mich ſo be¬
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dern den Blick hinwegwende, finde ich noch
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[484/0492] Mitwirkung, wodurch mir Dinge geworden, die mir lieb und werth ſind, Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen. Das was uns um¬ giebt erhaͤlt dadurch ein Leben, wir ſehen es in geiſtiger, liebevoller, genetiſcher Verknuͤp¬ fung, und durch das Vergegenwaͤrtigen ver¬ gangener Zuſtaͤnde wird das augenblickliche Daſeyn erhoͤht und bereichert, die Urheber der Gaben ſteigen wiederholt vor der Ein¬ bildungskraft hervor, man verknuͤpft mit ih¬ rem Bilde eine angenehme Erinnerung, macht ſich den Undank unmoͤglich und ein gelegent¬ liches Erwiedern leicht und wuͤnſchenswerth. Zugleich wird man auf die Betrachtung des¬ jenigen gefuͤhrt, was nicht ſinnlicher Beſitz iſt, und man recapitulirt gar gern, woher ſich unſere hoͤheren Guͤter ſchreiben und datiren. Ehe ich nun von jenem fuͤr mich ſo be¬ deutenden und folgereichen Verhaͤltniſſe zu Her¬ dern den Blick hinwegwende, finde ich noch einiges nachzubringen. Es war nichts natuͤr¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/492>, abgerufen am 22.11.2024.