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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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geschmackvoll. Als wir durch die Straßen
wandelten -- es war Sonntags früh um
neun -- hörten wir Musik; man walzte schon
im Wirthshause nach Herzenslust, und da
sich die Einwohner durch die große Theurung,
ja durch die drohende Hungersnoth, in ihrem
Vergnügen nicht irre machen ließen, so ward
auch unser jugendlicher Frohsinn keineswegs
getrübt, als uns der Bäcker einiges Brodt
auf die Reise versagte und uns in den Gast¬
hof verwies, wo wir es allenfalls an Ort und
Stelle verzehren dürften.

Sehr gern ritten wir nun wieder die
Steige hinab, um dieses architectonische
Wunder zum zweyten Male anzustaunen, und
uns der erquickenden Aussicht über das Elsaß
nochmals zu erfreuen. Wir gelangten bald
nach Buchsweiler, wo uns Freund Wey¬
land
eine gute Aufnahme vorbereitet hatte.
Dem frischen jugendlichen Sinne ist der Zu¬
stand einer kleinen Stadt sehr gemäß; die

geſchmackvoll. Als wir durch die Straßen
wandelten — es war Sonntags fruͤh um
neun — hoͤrten wir Muſik; man walzte ſchon
im Wirthshauſe nach Herzensluſt, und da
ſich die Einwohner durch die große Theurung,
ja durch die drohende Hungersnoth, in ihrem
Vergnuͤgen nicht irre machen ließen, ſo ward
auch unſer jugendlicher Frohſinn keineswegs
getruͤbt, als uns der Baͤcker einiges Brodt
auf die Reiſe verſagte und uns in den Gaſt¬
hof verwies, wo wir es allenfalls an Ort und
Stelle verzehren duͤrften.

Sehr gern ritten wir nun wieder die
Steige hinab, um dieſes architectoniſche
Wunder zum zweyten Male anzuſtaunen, und
uns der erquickenden Ausſicht uͤber das Elſaß
nochmals zu erfreuen. Wir gelangten bald
nach Buchsweiler, wo uns Freund Wey¬
land
eine gute Aufnahme vorbereitet hatte.
Dem friſchen jugendlichen Sinne iſt der Zu¬
ſtand einer kleinen Stadt ſehr gemaͤß; die

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[494/0502] geſchmackvoll. Als wir durch die Straßen wandelten — es war Sonntags fruͤh um neun — hoͤrten wir Muſik; man walzte ſchon im Wirthshauſe nach Herzensluſt, und da ſich die Einwohner durch die große Theurung, ja durch die drohende Hungersnoth, in ihrem Vergnuͤgen nicht irre machen ließen, ſo ward auch unſer jugendlicher Frohſinn keineswegs getruͤbt, als uns der Baͤcker einiges Brodt auf die Reiſe verſagte und uns in den Gaſt¬ hof verwies, wo wir es allenfalls an Ort und Stelle verzehren duͤrften. Sehr gern ritten wir nun wieder die Steige hinab, um dieſes architectoniſche Wunder zum zweyten Male anzuſtaunen, und uns der erquickenden Ausſicht uͤber das Elſaß nochmals zu erfreuen. Wir gelangten bald nach Buchsweiler, wo uns Freund Wey¬ land eine gute Aufnahme vorbereitet hatte. Dem friſchen jugendlichen Sinne iſt der Zu¬ ſtand einer kleinen Stadt ſehr gemaͤß; die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/502>, abgerufen am 22.11.2024.