Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

sich ihr gar so gut zu, und da ich nur ihre
Stimme vernahm, ihre Gesichtsbildung aber
so wie die übrige Welt in Dämmerung
schwebte, so war es mir, als ob ich in ihr
Herz sähe, das ich höchst rein finden mußte,
da es sich in so unbefangener Geschwätzigkeit
vor mir eröffnete.

Als mein Gefährte mit mir in das für
uns zubereitete Gastzimmer gelangte, brach
er sogleich mit Selbstgefälligkeit in behaglichen
Scherz aus und that sich viel darauf zu Gu¬
te, mich mit der Aehnlichkeit der Primrosi¬
schen Familie so sehr überrascht zu haben.
Ich stimmte mit ein, indem ich mich dankbar
erwies. -- Fürwahr! rief er aus, das Mähr¬
chen ist ganz beysammen. Diese Familie ver¬
gleicht sich jener sehr gut, und der verkappte
Herr da mag sich die Ehre anthun, für Herrn
Burchel gelten zu wollen; ferner, weil wir im
gemeinen Leben die Bösewichter nicht so nö¬

ſich ihr gar ſo gut zu, und da ich nur ihre
Stimme vernahm, ihre Geſichtsbildung aber
ſo wie die uͤbrige Welt in Daͤmmerung
ſchwebte, ſo war es mir, als ob ich in ihr
Herz ſaͤhe, das ich hoͤchſt rein finden mußte,
da es ſich in ſo unbefangener Geſchwaͤtzigkeit
vor mir eroͤffnete.

Als mein Gefaͤhrte mit mir in das fuͤr
uns zubereitete Gaſtzimmer gelangte, brach
er ſogleich mit Selbſtgefaͤlligkeit in behaglichen
Scherz aus und that ſich viel darauf zu Gu¬
te, mich mit der Aehnlichkeit der Primroſi¬
ſchen Familie ſo ſehr uͤberraſcht zu haben.
Ich ſtimmte mit ein, indem ich mich dankbar
erwies. — Fuͤrwahr! rief er aus, das Maͤhr¬
chen iſt ganz beyſammen. Dieſe Familie ver¬
gleicht ſich jener ſehr gut, und der verkappte
Herr da mag ſich die Ehre anthun, fuͤr Herrn
Burchel gelten zu wollen; ferner, weil wir im
gemeinen Leben die Boͤſewichter nicht ſo noͤ¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0551" n="543"/>
&#x017F;ich ihr gar &#x017F;o gut zu, und da ich nur ihre<lb/>
Stimme vernahm, ihre Ge&#x017F;ichtsbildung aber<lb/>
&#x017F;o wie die u&#x0364;brige Welt in Da&#x0364;mmerung<lb/>
&#x017F;chwebte, &#x017F;o war es mir, als ob ich in ihr<lb/>
Herz &#x017F;a&#x0364;he, das ich ho&#x0364;ch&#x017F;t rein finden mußte,<lb/>
da es &#x017F;ich in &#x017F;o unbefangener Ge&#x017F;chwa&#x0364;tzigkeit<lb/>
vor mir ero&#x0364;ffnete.</p><lb/>
        <p>Als mein Gefa&#x0364;hrte mit mir in das fu&#x0364;r<lb/>
uns zubereitete Ga&#x017F;tzimmer gelangte, brach<lb/>
er &#x017F;ogleich mit Selb&#x017F;tgefa&#x0364;lligkeit in behaglichen<lb/>
Scherz aus und that &#x017F;ich viel darauf zu Gu¬<lb/>
te, mich mit der Aehnlichkeit der Primro&#x017F;<lb/>
&#x017F;chen Familie &#x017F;o &#x017F;ehr u&#x0364;berra&#x017F;cht zu haben.<lb/>
Ich &#x017F;timmte mit ein, indem ich mich dankbar<lb/>
erwies. &#x2014; Fu&#x0364;rwahr! rief er aus, das Ma&#x0364;hr¬<lb/>
chen i&#x017F;t ganz bey&#x017F;ammen. Die&#x017F;e Familie ver¬<lb/>
gleicht &#x017F;ich jener &#x017F;ehr gut, und der verkappte<lb/>
Herr da mag &#x017F;ich die Ehre anthun, fu&#x0364;r Herrn<lb/>
Burchel gelten zu wollen; ferner, weil wir im<lb/>
gemeinen Leben die Bo&#x0364;&#x017F;ewichter nicht &#x017F;o no&#x0364;¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0551] ſich ihr gar ſo gut zu, und da ich nur ihre Stimme vernahm, ihre Geſichtsbildung aber ſo wie die uͤbrige Welt in Daͤmmerung ſchwebte, ſo war es mir, als ob ich in ihr Herz ſaͤhe, das ich hoͤchſt rein finden mußte, da es ſich in ſo unbefangener Geſchwaͤtzigkeit vor mir eroͤffnete. Als mein Gefaͤhrte mit mir in das fuͤr uns zubereitete Gaſtzimmer gelangte, brach er ſogleich mit Selbſtgefaͤlligkeit in behaglichen Scherz aus und that ſich viel darauf zu Gu¬ te, mich mit der Aehnlichkeit der Primroſi¬ ſchen Familie ſo ſehr uͤberraſcht zu haben. Ich ſtimmte mit ein, indem ich mich dankbar erwies. — Fuͤrwahr! rief er aus, das Maͤhr¬ chen iſt ganz beyſammen. Dieſe Familie ver¬ gleicht ſich jener ſehr gut, und der verkappte Herr da mag ſich die Ehre anthun, fuͤr Herrn Burchel gelten zu wollen; ferner, weil wir im gemeinen Leben die Boͤſewichter nicht ſo noͤ¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/551
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/551>, abgerufen am 21.11.2024.