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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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thig haben als in Romanen, so will ich für
dießmal die Rolle des Neffen übernehmen und
mich besser aufführen als er. Ich verließ je¬
doch sogleich dieses Gespräch, so angenehm es
mir auch seyn mochte, und fragte ihn vor
allen Dingen auf sein Gewissen, ob er mich
wirklich nicht verrathen habe. Er betheuerte
nein! und ich durfte ihm glauben. Sie hät¬
ten sich vielmehr, sagte er, nach dem lustigen
Tischgesellen erkundigt, der in Straßburg mit
ihm in Einer Pension speise und von dem man
ihnen allerley verkehrtes Zeug erzählt habe.
Ich schritt nun zu andern Fragen: ob sie ge¬
liebt habe? ob sie liebe? ob sie versprochen
sey? Er verneinte das alles. -- Fürwahr!
versetzte ich, eine solche Heiterkeit von Natur
aus ist mir unbegreiflich. Hätte sie geliebt
und verloren und sich wieder gefaßt, oder wä¬
re sie Braut, in beyden Fällen wollte ich es
gelten lassen.

thig haben als in Romanen, ſo will ich fuͤr
dießmal die Rolle des Neffen uͤbernehmen und
mich beſſer auffuͤhren als er. Ich verließ je¬
doch ſogleich dieſes Geſpraͤch, ſo angenehm es
mir auch ſeyn mochte, und fragte ihn vor
allen Dingen auf ſein Gewiſſen, ob er mich
wirklich nicht verrathen habe. Er betheuerte
nein! und ich durfte ihm glauben. Sie haͤt¬
ten ſich vielmehr, ſagte er, nach dem luſtigen
Tiſchgeſellen erkundigt, der in Straßburg mit
ihm in Einer Penſion ſpeiſe und von dem man
ihnen allerley verkehrtes Zeug erzaͤhlt habe.
Ich ſchritt nun zu andern Fragen: ob ſie ge¬
liebt habe? ob ſie liebe? ob ſie verſprochen
ſey? Er verneinte das alles. — Fuͤrwahr!
verſetzte ich, eine ſolche Heiterkeit von Natur
aus iſt mir unbegreiflich. Haͤtte ſie geliebt
und verloren und ſich wieder gefaßt, oder waͤ¬
re ſie Braut, in beyden Faͤllen wollte ich es
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[544/0552] thig haben als in Romanen, ſo will ich fuͤr dießmal die Rolle des Neffen uͤbernehmen und mich beſſer auffuͤhren als er. Ich verließ je¬ doch ſogleich dieſes Geſpraͤch, ſo angenehm es mir auch ſeyn mochte, und fragte ihn vor allen Dingen auf ſein Gewiſſen, ob er mich wirklich nicht verrathen habe. Er betheuerte nein! und ich durfte ihm glauben. Sie haͤt¬ ten ſich vielmehr, ſagte er, nach dem luſtigen Tiſchgeſellen erkundigt, der in Straßburg mit ihm in Einer Penſion ſpeiſe und von dem man ihnen allerley verkehrtes Zeug erzaͤhlt habe. Ich ſchritt nun zu andern Fragen: ob ſie ge¬ liebt habe? ob ſie liebe? ob ſie verſprochen ſey? Er verneinte das alles. — Fuͤrwahr! verſetzte ich, eine ſolche Heiterkeit von Natur aus iſt mir unbegreiflich. Haͤtte ſie geliebt und verloren und ſich wieder gefaßt, oder waͤ¬ re ſie Braut, in beyden Faͤllen wollte ich es gelten laſſen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/552>, abgerufen am 21.11.2024.