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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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auch äußerlich zum Räthsel zu bilden. Habt
Ihr nun, sagte ich, als er mir den bebän¬
derten Hut reichte, nicht irgend etwas in der
Pfarre auszurichten, daß ich mich auf eine
natürliche Weise dort anmelden könnte? --
Gut! versetzte er, aber da müssen Sie noch
zwey Stunden warten. Bey uns ist eine
Wöchnerinn; ich will mich erbieten, den Ku¬
chen der Frau Pfarrinn zu bringen, den mö¬
gen Sie dann hinübertragen. Hoffarth muß
Noth leiden und der Spaß denn auch. --
Ich entschloß mich zu warten, aber diese
zwey Stunden wurden mir unendlich lang und
ich verging vor Ungeduld, als die dritte ver¬
floß, ehe der Kuchen aus dem Ofen kam.
Ich empfing ihn endlich ganz warm, und eil¬
te, bey dem schönsten Sonnenschein, mit
meinem Creditiv davon, noch eine Strecke
von meinem Ebenbild begleitet, welches gegen
Abend nachzukommen und mir meine Kleider
zu bringen versprach, die ich aber lebhaft

auch aͤußerlich zum Raͤthſel zu bilden. Habt
Ihr nun, ſagte ich, als er mir den bebaͤn¬
derten Hut reichte, nicht irgend etwas in der
Pfarre auszurichten, daß ich mich auf eine
natuͤrliche Weiſe dort anmelden koͤnnte? —
Gut! verſetzte er, aber da muͤſſen Sie noch
zwey Stunden warten. Bey uns iſt eine
Woͤchnerinn; ich will mich erbieten, den Ku¬
chen der Frau Pfarrinn zu bringen, den moͤ¬
gen Sie dann hinuͤbertragen. Hoffarth muß
Noth leiden und der Spaß denn auch. —
Ich entſchloß mich zu warten, aber dieſe
zwey Stunden wurden mir unendlich lang und
ich verging vor Ungeduld, als die dritte ver¬
floß, ehe der Kuchen aus dem Ofen kam.
Ich empfing ihn endlich ganz warm, und eil¬
te, bey dem ſchoͤnſten Sonnenſchein, mit
meinem Creditiv davon, noch eine Strecke
von meinem Ebenbild begleitet, welches gegen
Abend nachzukommen und mir meine Kleider
zu bringen verſprach, die ich aber lebhaft

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[551/0559] auch aͤußerlich zum Raͤthſel zu bilden. Habt Ihr nun, ſagte ich, als er mir den bebaͤn¬ derten Hut reichte, nicht irgend etwas in der Pfarre auszurichten, daß ich mich auf eine natuͤrliche Weiſe dort anmelden koͤnnte? — Gut! verſetzte er, aber da muͤſſen Sie noch zwey Stunden warten. Bey uns iſt eine Woͤchnerinn; ich will mich erbieten, den Ku¬ chen der Frau Pfarrinn zu bringen, den moͤ¬ gen Sie dann hinuͤbertragen. Hoffarth muß Noth leiden und der Spaß denn auch. — Ich entſchloß mich zu warten, aber dieſe zwey Stunden wurden mir unendlich lang und ich verging vor Ungeduld, als die dritte ver¬ floß, ehe der Kuchen aus dem Ofen kam. Ich empfing ihn endlich ganz warm, und eil¬ te, bey dem ſchoͤnſten Sonnenſchein, mit meinem Creditiv davon, noch eine Strecke von meinem Ebenbild begleitet, welches gegen Abend nachzukommen und mir meine Kleider zu bringen verſprach, die ich aber lebhaft

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/559>, abgerufen am 13.05.2024.