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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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ich die beladene Serviette hoch in die Höhe
hielt. -- Ein Kindtaufkuchen! rief sie da¬
gegen; wie geht's der Schwester? -- Guet,
sagte ich, indem ich, wo nicht Elsassisch,
doch fremd zu reden suchte. -- Trag ihn
nach Hause! sagte die älteste, und wenn du
die Mutter nicht findest, gieb ihn der Magd;
aber wart' auf uns, wir kommen bald wie¬
der, hörst du! -- Ich eilte meinen Pfad
hin, im Frohgefühl der besten Hoffnung, daß
alles gut ablaufen müsse, da der Anfang
glücklich war, und hatte bald die Pfarrwoh¬
nung erreicht. Ich fand Niemand weder im
Haus noch in der Küche; den Herrn, den
ich beschäftigt in der Studirstube vermuthen
konnte, wollte ich nicht aufregen, ich setzte
mich deshalb auf die Bank vor der Thüre,
den Kuchen neben mich und drückte den Hut
ins Gesicht.

ich die beladene Serviette hoch in die Hoͤhe
hielt. — Ein Kindtaufkuchen! rief ſie da¬
gegen; wie geht's der Schweſter? — Guet,
ſagte ich, indem ich, wo nicht Elſaſſiſch,
doch fremd zu reden ſuchte. — Trag ihn
nach Hauſe! ſagte die aͤlteſte, und wenn du
die Mutter nicht findeſt, gieb ihn der Magd;
aber wart' auf uns, wir kommen bald wie¬
der, hoͤrſt du! — Ich eilte meinen Pfad
hin, im Frohgefuͤhl der beſten Hoffnung, daß
alles gut ablaufen muͤſſe, da der Anfang
gluͤcklich war, und hatte bald die Pfarrwoh¬
nung erreicht. Ich fand Niemand weder im
Haus noch in der Kuͤche; den Herrn, den
ich beſchaͤftigt in der Studirſtube vermuthen
konnte, wollte ich nicht aufregen, ich ſetzte
mich deshalb auf die Bank vor der Thuͤre,
den Kuchen neben mich und druͤckte den Hut
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[553/0561] ich die beladene Serviette hoch in die Hoͤhe hielt. — Ein Kindtaufkuchen! rief ſie da¬ gegen; wie geht's der Schweſter? — Guet, ſagte ich, indem ich, wo nicht Elſaſſiſch, doch fremd zu reden ſuchte. — Trag ihn nach Hauſe! ſagte die aͤlteſte, und wenn du die Mutter nicht findeſt, gieb ihn der Magd; aber wart' auf uns, wir kommen bald wie¬ der, hoͤrſt du! — Ich eilte meinen Pfad hin, im Frohgefuͤhl der beſten Hoffnung, daß alles gut ablaufen muͤſſe, da der Anfang gluͤcklich war, und hatte bald die Pfarrwoh¬ nung erreicht. Ich fand Niemand weder im Haus noch in der Kuͤche; den Herrn, den ich beſchaͤftigt in der Studirſtube vermuthen konnte, wollte ich nicht aufregen, ich ſetzte mich deshalb auf die Bank vor der Thuͤre, den Kuchen neben mich und druͤckte den Hut ins Geſicht.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/561>, abgerufen am 13.05.2024.