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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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etwa zwey und zwanzig Jahr alt, und hätte
mich gern zum Proselyten seiner Menschen¬
verachtung gemacht; aber es wollte nicht bey
mir greifen, denn ich hatte noch immer gro¬
ße Lust, gut zu seyn und Andere gut zu fin¬
den. Indessen bin ich durch ihn auf vieles
aufmerksam geworden.

Das Personal einer jeden heiteren Gesell¬
schaft vollständig zu machen gehört nothwen¬
dig ein Acteur, welcher Freude daran hat,
wenn die Uebrigen, um so manchen gleich¬
gültigen Moment zu beleben, die Pfeile des
Witzes gegen ihn richten mögen. Ist er nicht
bloß ein ausgestopfter Sarazene, wie derjeni¬
ge, an dem bey Lustkämpfen die Ritter ihre
Lanzen übten, sondern versteht er selbst zu
scharmuziren, zu necken und aufzufordern,
leicht zu verwunden und sich zurückzuziehen,
und, indem er sich Preis zu geben scheint,
Anderen eins zu versetzen, so kann nicht wohl
etwas Anmuthigeres gefunden werden. Einen

etwa zwey und zwanzig Jahr alt, und haͤtte
mich gern zum Proſelyten ſeiner Menſchen¬
verachtung gemacht; aber es wollte nicht bey
mir greifen, denn ich hatte noch immer gro¬
ße Luſt, gut zu ſeyn und Andere gut zu fin¬
den. Indeſſen bin ich durch ihn auf vieles
aufmerkſam geworden.

Das Perſonal einer jeden heiteren Geſell¬
ſchaft vollſtaͤndig zu machen gehoͤrt nothwen¬
dig ein Acteur, welcher Freude daran hat,
wenn die Uebrigen, um ſo manchen gleich¬
guͤltigen Moment zu beleben, die Pfeile des
Witzes gegen ihn richten moͤgen. Iſt er nicht
bloß ein ausgeſtopfter Sarazene, wie derjeni¬
ge, an dem bey Luſtkaͤmpfen die Ritter ihre
Lanzen uͤbten, ſondern verſteht er ſelbſt zu
ſcharmuziren, zu necken und aufzufordern,
leicht zu verwunden und ſich zuruͤckzuziehen,
und, indem er ſich Preis zu geben ſcheint,
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[50/0058] etwa zwey und zwanzig Jahr alt, und haͤtte mich gern zum Proſelyten ſeiner Menſchen¬ verachtung gemacht; aber es wollte nicht bey mir greifen, denn ich hatte noch immer gro¬ ße Luſt, gut zu ſeyn und Andere gut zu fin¬ den. Indeſſen bin ich durch ihn auf vieles aufmerkſam geworden. Das Perſonal einer jeden heiteren Geſell¬ ſchaft vollſtaͤndig zu machen gehoͤrt nothwen¬ dig ein Acteur, welcher Freude daran hat, wenn die Uebrigen, um ſo manchen gleich¬ guͤltigen Moment zu beleben, die Pfeile des Witzes gegen ihn richten moͤgen. Iſt er nicht bloß ein ausgeſtopfter Sarazene, wie derjeni¬ ge, an dem bey Luſtkaͤmpfen die Ritter ihre Lanzen uͤbten, ſondern verſteht er ſelbſt zu ſcharmuziren, zu necken und aufzufordern, leicht zu verwunden und ſich zuruͤckzuziehen, und, indem er ſich Preis zu geben ſcheint, Anderen eins zu verſetzen, ſo kann nicht wohl etwas Anmuthigeres gefunden werden. Einen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/58>, abgerufen am 21.11.2024.