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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Er führte nämlich mit Sprüchen aus der Bi¬
bel, die nicht zur Sache paßten, mit Gleich¬
nissen, die nicht trafen, mit Anspielungen,
die nichts erläuterten, den Satz aus, daß
wer seine Leidenschaften, Neigungen, Wün¬
sche, Vorsätze, Plane nicht zu verbergen wis¬
se, in der Welt zu nichts komme, sondern
aller Orten und Enden gestört und zum Be¬
sten gehabt werde; vorzüglich aber, wenn man
in der Liebe glücklich seyn wolle, habe man
sich des tiefsten Geheimnisses zu befleißigen.

Dieser Gedanke schlang sich durch das
Ganze durch, ohne daß eigentlich ein Wort
davon wäre ausgesprochen worden. Will man
sich einen Begriff von diesem seltsamen Men¬
schen machen, so bedenke man, daß er mit
viel Anlage geboren, seine Talente und be¬
sonders seinen Scharfsinn in Jesuiterschulen
ausgebildet und eine große Welt- und Men¬
schenkenntniß, aber nur von der schlimmen
Seite, zusammengewonnen hatte. Er war

II. 4

Er fuͤhrte naͤmlich mit Spruͤchen aus der Bi¬
bel, die nicht zur Sache paßten, mit Gleich¬
niſſen, die nicht trafen, mit Anſpielungen,
die nichts erlaͤuterten, den Satz aus, daß
wer ſeine Leidenſchaften, Neigungen, Wuͤn¬
ſche, Vorſaͤtze, Plane nicht zu verbergen wiſ¬
ſe, in der Welt zu nichts komme, ſondern
aller Orten und Enden geſtoͤrt und zum Be¬
ſten gehabt werde; vorzuͤglich aber, wenn man
in der Liebe gluͤcklich ſeyn wolle, habe man
ſich des tiefſten Geheimniſſes zu befleißigen.

Dieſer Gedanke ſchlang ſich durch das
Ganze durch, ohne daß eigentlich ein Wort
davon waͤre ausgeſprochen worden. Will man
ſich einen Begriff von dieſem ſeltſamen Men¬
ſchen machen, ſo bedenke man, daß er mit
viel Anlage geboren, ſeine Talente und be¬
ſonders ſeinen Scharfſinn in Jeſuiterſchulen
ausgebildet und eine große Welt- und Men¬
ſchenkenntniß, aber nur von der ſchlimmen
Seite, zuſammengewonnen hatte. Er war

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[49/0057] Er fuͤhrte naͤmlich mit Spruͤchen aus der Bi¬ bel, die nicht zur Sache paßten, mit Gleich¬ niſſen, die nicht trafen, mit Anſpielungen, die nichts erlaͤuterten, den Satz aus, daß wer ſeine Leidenſchaften, Neigungen, Wuͤn¬ ſche, Vorſaͤtze, Plane nicht zu verbergen wiſ¬ ſe, in der Welt zu nichts komme, ſondern aller Orten und Enden geſtoͤrt und zum Be¬ ſten gehabt werde; vorzuͤglich aber, wenn man in der Liebe gluͤcklich ſeyn wolle, habe man ſich des tiefſten Geheimniſſes zu befleißigen. Dieſer Gedanke ſchlang ſich durch das Ganze durch, ohne daß eigentlich ein Wort davon waͤre ausgeſprochen worden. Will man ſich einen Begriff von dieſem ſeltſamen Men¬ ſchen machen, ſo bedenke man, daß er mit viel Anlage geboren, ſeine Talente und be¬ ſonders ſeinen Scharfſinn in Jeſuiterſchulen ausgebildet und eine große Welt- und Men¬ ſchenkenntniß, aber nur von der ſchlimmen Seite, zuſammengewonnen hatte. Er war II. 4

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/57>, abgerufen am 21.11.2024.