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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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durch diesen Scherz eine neue und unerwar¬
tete Wendung in die Gesellschaft kam, und ein
Jeder angeregt ward, was ihm von Geist
und Anmuth beywohnte an den Tag zu brin¬
gen und seiner augenblicklichen Schönen auf
das verbindlichste den Hof zu machen, indem
er sich wohl zutraute, wenigstens für eine
Woche genugsamen Vorrath zu Gefälligkeiten
zu haben.

Man hatte sich kaum eingerichtet, als
man unserem Redner, statt ihm zu danken,
den Vorwurf machte, er habe das Beste sei¬
ner Rede, den Schluß, für sich behalten. Er
versicherte darauf, das Beste einer Rede sey
die Ueberredung, und wer nicht zu überreden
gedenke, müsse gar nicht reden: denn mit der
Ueberzeugung sey es eine mißliche Sache.
Als man ihm demohngeachtet keine Ruhe
ließ, begann er sogleich eine Kapuzinade, fra¬
tzenhafter als je, vielleicht gerade darum, weil
er die ernsthaftesten Dinge zu sagen gedachte.

durch dieſen Scherz eine neue und unerwar¬
tete Wendung in die Geſellſchaft kam, und ein
Jeder angeregt ward, was ihm von Geiſt
und Anmuth beywohnte an den Tag zu brin¬
gen und ſeiner augenblicklichen Schoͤnen auf
das verbindlichſte den Hof zu machen, indem
er ſich wohl zutraute, wenigſtens fuͤr eine
Woche genugſamen Vorrath zu Gefaͤlligkeiten
zu haben.

Man hatte ſich kaum eingerichtet, als
man unſerem Redner, ſtatt ihm zu danken,
den Vorwurf machte, er habe das Beſte ſei¬
ner Rede, den Schluß, fuͤr ſich behalten. Er
verſicherte darauf, das Beſte einer Rede ſey
die Ueberredung, und wer nicht zu uͤberreden
gedenke, muͤſſe gar nicht reden: denn mit der
Ueberzeugung ſey es eine mißliche Sache.
Als man ihm demohngeachtet keine Ruhe
ließ, begann er ſogleich eine Kapuzinade, fra¬
tzenhafter als je, vielleicht gerade darum, weil
er die ernſthafteſten Dinge zu ſagen gedachte.

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[48/0056] durch dieſen Scherz eine neue und unerwar¬ tete Wendung in die Geſellſchaft kam, und ein Jeder angeregt ward, was ihm von Geiſt und Anmuth beywohnte an den Tag zu brin¬ gen und ſeiner augenblicklichen Schoͤnen auf das verbindlichſte den Hof zu machen, indem er ſich wohl zutraute, wenigſtens fuͤr eine Woche genugſamen Vorrath zu Gefaͤlligkeiten zu haben. Man hatte ſich kaum eingerichtet, als man unſerem Redner, ſtatt ihm zu danken, den Vorwurf machte, er habe das Beſte ſei¬ ner Rede, den Schluß, fuͤr ſich behalten. Er verſicherte darauf, das Beſte einer Rede ſey die Ueberredung, und wer nicht zu uͤberreden gedenke, muͤſſe gar nicht reden: denn mit der Ueberzeugung ſey es eine mißliche Sache. Als man ihm demohngeachtet keine Ruhe ließ, begann er ſogleich eine Kapuzinade, fra¬ tzenhafter als je, vielleicht gerade darum, weil er die ernſthafteſten Dinge zu ſagen gedachte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/56>, abgerufen am 21.11.2024.