ist nicht zu leugnen, daß sie überhaupt, be¬ sonders aber in stillen Momenten der Sonn- und Feyertage etwas Imposantes hat, so wie denn auch im Mondschien die Straßen, halb beschattet, halb erleuchtet, mich oft zu nächt¬ lichen Promenaden einluden.
Indessen genügte mir gegen das, was ich bisher gewohnt war, dieser neue Zustand kei¬ neswegs. Leipzig ruft dem Beschauer keine al¬ terthümliche Zeit zurück; es ist eine neue, kurz vergangene, von Handelsthätigkeit, Wohlha¬ benheit, Reichthum zeugende Epoche, die sich uns in diesen Denkmalen ankündet. Jedoch ganz nach meinem Sinn waren die mir un¬ geheuer scheinenden Gebäude, die, nach zwey Straßen ihr Gesicht wendend, in großen, himmelhoch umbauten Hofräumen eine bür¬ gerliche Welt umfassend, großen Burgen, ja Halbstädten ähnlich sind. In einem dieser selt¬ samen Räume quartierte ich mich ein, und zwar in der Feuerkugel zwischen dem alten
iſt nicht zu leugnen, daß ſie uͤberhaupt, be¬ ſonders aber in ſtillen Momenten der Sonn- und Feyertage etwas Impoſantes hat, ſo wie denn auch im Mondſchien die Straßen, halb beſchattet, halb erleuchtet, mich oft zu naͤcht¬ lichen Promenaden einluden.
Indeſſen genuͤgte mir gegen das, was ich bisher gewohnt war, dieſer neue Zuſtand kei¬ neswegs. Leipzig ruft dem Beſchauer keine al¬ terthuͤmliche Zeit zuruͤck; es iſt eine neue, kurz vergangene, von Handelsthaͤtigkeit, Wohlha¬ benheit, Reichthum zeugende Epoche, die ſich uns in dieſen Denkmalen ankuͤndet. Jedoch ganz nach meinem Sinn waren die mir un¬ geheuer ſcheinenden Gebaͤude, die, nach zwey Straßen ihr Geſicht wendend, in großen, himmelhoch umbauten Hofraͤumen eine buͤr¬ gerliche Welt umfaſſend, großen Burgen, ja Halbſtaͤdten aͤhnlich ſind. In einem dieſer ſelt¬ ſamen Raͤume quartierte ich mich ein, und zwar in der Feuerkugel zwiſchen dem alten
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iſt nicht zu leugnen, daß ſie uͤberhaupt, be¬
ſonders aber in ſtillen Momenten der Sonn-
und Feyertage etwas Impoſantes hat, ſo wie
denn auch im Mondſchien die Straßen, halb
beſchattet, halb erleuchtet, mich oft zu naͤcht¬
lichen Promenaden einluden.
Indeſſen genuͤgte mir gegen das, was ich
bisher gewohnt war, dieſer neue Zuſtand kei¬
neswegs. Leipzig ruft dem Beſchauer keine al¬
terthuͤmliche Zeit zuruͤck; es iſt eine neue, kurz
vergangene, von Handelsthaͤtigkeit, Wohlha¬
benheit, Reichthum zeugende Epoche, die ſich
uns in dieſen Denkmalen ankuͤndet. Jedoch
ganz nach meinem Sinn waren die mir un¬
geheuer ſcheinenden Gebaͤude, die, nach zwey
Straßen ihr Geſicht wendend, in großen,
himmelhoch umbauten Hofraͤumen eine buͤr¬
gerliche Welt umfaſſend, großen Burgen, ja
Halbſtaͤdten aͤhnlich ſind. In einem dieſer ſelt¬
ſamen Raͤume quartierte ich mich ein, und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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