gen. Es geschah ziemlich früh, in Leipzig, durch Dodd's beauties of Shakspeare. Was man auch gegen solche Sammlungen sagen kann, welche die Autoren zerstückelt mitthei¬ len, sie bringen doch manche gute Wirkung hervor. Sind wir doch nicht immer so ge¬ faßt und so geistreich, daß wir ein ganzes Werk nach seinem Werth in uns aufzuneh¬ men vermöchten. Streichen wir nicht in ei¬ nem Buche Stellen an, die sich unmittelbar auf uns beziehen. Junge Leute besonders, denen es an durchgreifender Bildung fehlt, werden von glänzenden Stellen gar löblich aufgeregt, und so erinnere ich mich noch als einer der schönsten Epochen meines Lebens der¬ jenigen, welche gedachtes Werk bey mir be¬ zeichnete. Jene herrlichen Eigenheiten, die großen Sprüche, die treffenden Schilderun¬ gen, die humoristischen Züge, alles traf mich einzeln und gewaltig.
gen. Es geſchah ziemlich fruͤh, in Leipzig, durch Dodd's beauties of Shakspeare. Was man auch gegen ſolche Sammlungen ſagen kann, welche die Autoren zerſtuͤckelt mitthei¬ len, ſie bringen doch manche gute Wirkung hervor. Sind wir doch nicht immer ſo ge¬ faßt und ſo geiſtreich, daß wir ein ganzes Werk nach ſeinem Werth in uns aufzuneh¬ men vermoͤchten. Streichen wir nicht in ei¬ nem Buche Stellen an, die ſich unmittelbar auf uns beziehen. Junge Leute beſonders, denen es an durchgreifender Bildung fehlt, werden von glaͤnzenden Stellen gar loͤblich aufgeregt, und ſo erinnere ich mich noch als einer der ſchoͤnſten Epochen meines Lebens der¬ jenigen, welche gedachtes Werk bey mir be¬ zeichnete. Jene herrlichen Eigenheiten, die großen Spruͤche, die treffenden Schilderun¬ gen, die humoriſtiſchen Zuͤge, alles traf mich einzeln und gewaltig.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0118"n="110"/>
gen. Es geſchah ziemlich fruͤh, in Leipzig,<lb/>
durch Dodd's <hirendition="#aq">beauties of Shakspeare</hi>. Was<lb/>
man auch gegen ſolche Sammlungen ſagen<lb/>
kann, welche die Autoren zerſtuͤckelt mitthei¬<lb/>
len, ſie bringen doch manche gute Wirkung<lb/>
hervor. Sind wir doch nicht immer ſo ge¬<lb/>
faßt und ſo geiſtreich, daß wir ein ganzes<lb/>
Werk nach ſeinem Werth in uns aufzuneh¬<lb/>
men vermoͤchten. Streichen wir nicht in ei¬<lb/>
nem Buche Stellen an, die ſich unmittelbar<lb/>
auf uns beziehen. Junge Leute beſonders,<lb/>
denen es an durchgreifender Bildung fehlt,<lb/>
werden von glaͤnzenden Stellen gar loͤblich<lb/>
aufgeregt, und ſo erinnere ich mich noch als<lb/>
einer der ſchoͤnſten Epochen meines Lebens der¬<lb/>
jenigen, welche gedachtes Werk bey mir be¬<lb/>
zeichnete. Jene herrlichen Eigenheiten, die<lb/>
großen Spruͤche, die treffenden Schilderun¬<lb/>
gen, die humoriſtiſchen Zuͤge, alles traf mich<lb/>
einzeln und gewaltig.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[110/0118]
gen. Es geſchah ziemlich fruͤh, in Leipzig,
durch Dodd's beauties of Shakspeare. Was
man auch gegen ſolche Sammlungen ſagen
kann, welche die Autoren zerſtuͤckelt mitthei¬
len, ſie bringen doch manche gute Wirkung
hervor. Sind wir doch nicht immer ſo ge¬
faßt und ſo geiſtreich, daß wir ein ganzes
Werk nach ſeinem Werth in uns aufzuneh¬
men vermoͤchten. Streichen wir nicht in ei¬
nem Buche Stellen an, die ſich unmittelbar
auf uns beziehen. Junge Leute beſonders,
denen es an durchgreifender Bildung fehlt,
werden von glaͤnzenden Stellen gar loͤblich
aufgeregt, und ſo erinnere ich mich noch als
einer der ſchoͤnſten Epochen meines Lebens der¬
jenigen, welche gedachtes Werk bey mir be¬
zeichnete. Jene herrlichen Eigenheiten, die
großen Spruͤche, die treffenden Schilderun¬
gen, die humoriſtiſchen Zuͤge, alles traf mich
einzeln und gewaltig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/118>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.