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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Aufopferung verstehn? Die Catholiken wollten
nicht noch mehr verlieren, und die Protestan¬
ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken
verwenden. Die Spaltung des Reichs in
zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in
mehrerem Betracht, den schlimmsten Einfluß.
Nun verminderte sich der Antheil der Stände
an diesem ihren Gericht immer mehr: die
mächtigern suchten sich von dem Verbande
loszulösen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬
richtshofe belangt zu werden, wurden immer
lebhafter gesucht; die größeren blieben mit den
Zahlungen zurück, und die kleineren, die sich
in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten,
säumten so lange sie konnten.

Wie schwer war es daher, den zahltägi¬
gen Bedarf zu den Besoldungen aufzubringen.
Hieraus entsprang ein neues Geschäft, ein
neuer Zeitverlust für das Cammergericht; frü¬
her hatten die jährlichen sogenannten Visita¬
tionen dafür gesorgt. Fürsten in Person, oder

Aufopferung verſtehn? Die Catholiken wollten
nicht noch mehr verlieren, und die Proteſtan¬
ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken
verwenden. Die Spaltung des Reichs in
zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in
mehrerem Betracht, den ſchlimmſten Einfluß.
Nun verminderte ſich der Antheil der Staͤnde
an dieſem ihren Gericht immer mehr: die
maͤchtigern ſuchten ſich von dem Verbande
loszuloͤſen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬
richtshofe belangt zu werden, wurden immer
lebhafter geſucht; die groͤßeren blieben mit den
Zahlungen zuruͤck, und die kleineren, die ſich
in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten,
ſaͤumten ſo lange ſie konnten.

Wie ſchwer war es daher, den zahltaͤgi¬
gen Bedarf zu den Beſoldungen aufzubringen.
Hieraus entſprang ein neues Geſchaͤft, ein
neuer Zeitverluſt fuͤr das Cammergericht; fruͤ¬
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[196/0204] Aufopferung verſtehn? Die Catholiken wollten nicht noch mehr verlieren, und die Proteſtan¬ ten das Gewonnene jeder zu innern Zwecken verwenden. Die Spaltung des Reichs in zwey Religionsparteyen hatte auch hier, in mehrerem Betracht, den ſchlimmſten Einfluß. Nun verminderte ſich der Antheil der Staͤnde an dieſem ihren Gericht immer mehr: die maͤchtigern ſuchten ſich von dem Verbande loszuloͤſen; Freybriefe, vor keinem obern Ge¬ richtshofe belangt zu werden, wurden immer lebhafter geſucht; die groͤßeren blieben mit den Zahlungen zuruͤck, und die kleineren, die ſich in der Matrikel ohnehin bevortheilt glaubten, ſaͤumten ſo lange ſie konnten. Wie ſchwer war es daher, den zahltaͤgi¬ gen Bedarf zu den Beſoldungen aufzubringen. Hieraus entſprang ein neues Geſchaͤft, ein neuer Zeitverluſt fuͤr das Cammergericht; fruͤ¬ her hatten die jaͤhrlichen ſogenannten Viſita¬ tionen dafuͤr geſorgt. Fuͤrſten in Perſon, oder

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/204>, abgerufen am 23.11.2024.