ihre Räthe, begaben sich nur auf Wochen oder Monate an den Ort des Gerichts, untersuch¬ ten die Cassen, erforschten die Reste und über¬ nahmen das Geschäft, sie beyzutreiben. Zu¬ gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬ richtsgange stocken, irgend ein Misbrauch ein¬ schleichen wollte, waren sie befugt, dem ab¬ zuhelfen. Gebrechen der Anstalt sollten sie entdecken und heben, aber persönliche Verbre¬ chen der Glieder zu untersuchen und zu bestra¬ fen, ward erst später ein Theil ihrer Pflicht. Weil aber Processirende den Lebenshauch ih¬ rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick verlängern wollen, und deshalb immer höhere Instanzen suchen und hervorrufen; so wurden diese Visitatoren auch ein Revisionsgericht, vor dem man erst in bestimmten, offenbaren Fäl¬ len Wiederherstellung, zuletzt aber in allen Aufschub und Verewigung des Zwists zu fin¬ den hoffte: wozu denn auch die Berufung an den Reichstag, und das Bestreben beyder Religionsparteyen, sich einander wo nicht auf¬
ihre Raͤthe, begaben ſich nur auf Wochen oder Monate an den Ort des Gerichts, unterſuch¬ ten die Caſſen, erforſchten die Reſte und uͤber¬ nahmen das Geſchaͤft, ſie beyzutreiben. Zu¬ gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬ richtsgange ſtocken, irgend ein Misbrauch ein¬ ſchleichen wollte, waren ſie befugt, dem ab¬ zuhelfen. Gebrechen der Anſtalt ſollten ſie entdecken und heben, aber perſoͤnliche Verbre¬ chen der Glieder zu unterſuchen und zu beſtra¬ fen, ward erſt ſpaͤter ein Theil ihrer Pflicht. Weil aber Proceſſirende den Lebenshauch ih¬ rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick verlaͤngern wollen, und deshalb immer hoͤhere Inſtanzen ſuchen und hervorrufen; ſo wurden dieſe Viſitatoren auch ein Reviſionsgericht, vor dem man erſt in beſtimmten, offenbaren Faͤl¬ len Wiederherſtellung, zuletzt aber in allen Aufſchub und Verewigung des Zwiſts zu fin¬ den hoffte: wozu denn auch die Berufung an den Reichstag, und das Beſtreben beyder Religionsparteyen, ſich einander wo nicht auf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="197"/>
ihre Raͤthe, begaben ſich nur auf Wochen oder<lb/>
Monate an den Ort des Gerichts, unterſuch¬<lb/>
ten die Caſſen, erforſchten die Reſte und uͤber¬<lb/>
nahmen das Geſchaͤft, ſie beyzutreiben. Zu¬<lb/>
gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬<lb/>
richtsgange ſtocken, irgend ein Misbrauch ein¬<lb/>ſchleichen wollte, waren ſie befugt, dem ab¬<lb/>
zuhelfen. Gebrechen der Anſtalt ſollten ſie<lb/>
entdecken und heben, aber perſoͤnliche Verbre¬<lb/>
chen der Glieder zu unterſuchen und zu beſtra¬<lb/>
fen, ward erſt ſpaͤter ein Theil ihrer Pflicht.<lb/>
Weil aber Proceſſirende den Lebenshauch ih¬<lb/>
rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick<lb/>
verlaͤngern wollen, und deshalb immer hoͤhere<lb/>
Inſtanzen ſuchen und hervorrufen; ſo wurden<lb/>
dieſe Viſitatoren auch ein Reviſionsgericht, vor<lb/>
dem man erſt in beſtimmten, offenbaren Faͤl¬<lb/>
len Wiederherſtellung, zuletzt aber in allen<lb/>
Aufſchub und Verewigung des Zwiſts zu fin¬<lb/>
den hoffte: wozu denn auch die Berufung an<lb/>
den Reichstag, und das Beſtreben beyder<lb/>
Religionsparteyen, ſich einander wo nicht auf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[197/0205]
ihre Raͤthe, begaben ſich nur auf Wochen oder
Monate an den Ort des Gerichts, unterſuch¬
ten die Caſſen, erforſchten die Reſte und uͤber¬
nahmen das Geſchaͤft, ſie beyzutreiben. Zu¬
gleich, wenn etwas in dem Rechts- und Ge¬
richtsgange ſtocken, irgend ein Misbrauch ein¬
ſchleichen wollte, waren ſie befugt, dem ab¬
zuhelfen. Gebrechen der Anſtalt ſollten ſie
entdecken und heben, aber perſoͤnliche Verbre¬
chen der Glieder zu unterſuchen und zu beſtra¬
fen, ward erſt ſpaͤter ein Theil ihrer Pflicht.
Weil aber Proceſſirende den Lebenshauch ih¬
rer Hoffnungen immer noch einen Augenblick
verlaͤngern wollen, und deshalb immer hoͤhere
Inſtanzen ſuchen und hervorrufen; ſo wurden
dieſe Viſitatoren auch ein Reviſionsgericht, vor
dem man erſt in beſtimmten, offenbaren Faͤl¬
len Wiederherſtellung, zuletzt aber in allen
Aufſchub und Verewigung des Zwiſts zu fin¬
den hoffte: wozu denn auch die Berufung an
den Reichstag, und das Beſtreben beyder
Religionsparteyen, ſich einander wo nicht auf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/205>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.