sammenhielten, und nachher so viel und man¬ nigfaltig wirkten. Die beyden Grafen Stol¬ berg, Bürger, Voß, Hölty und ande¬ re waren im Glauben und Geiste um Klop¬ stock versammelt, dessen Wirkung sich nach allen Seiten hin erstreckte. In einem solchen, sich immer mehr erweiternden deutschen Dich¬ terkreise entwickelte sich zugleich, mit so man¬ nigfaltigen poetischen Verdiensten, auch noch ein anderer Sinn, dem ich keinen ganz ei¬ gentlichen Namen zu geben wüßte. Man könnte ihn das Bedürfniß der Unabhängigkeit nennen, welches immer im Frieden entspringt, und gerade da, wo man eigentlich nicht ab¬ hängig ist. Im Kriege erträgt man die rohe Gewalt so gut man kann, man fühlt sich wohl physisch und öconomisch verletzt, aber nicht moralisch; der Zwang beschämt Nieman¬ den, und es ist kein schimpflicher Dienst, der Zeit zu dienen; man gewöhnt sich, von Feind und Freund zu leiden, man hat Wünsche und keine Gesinnungen. Im Frieden hingegen
ſammenhielten, und nachher ſo viel und man¬ nigfaltig wirkten. Die beyden Grafen Stol¬ berg, Buͤrger, Voß, Hoͤlty und ande¬ re waren im Glauben und Geiſte um Klop¬ ſtock verſammelt, deſſen Wirkung ſich nach allen Seiten hin erſtreckte. In einem ſolchen, ſich immer mehr erweiternden deutſchen Dich¬ terkreiſe entwickelte ſich zugleich, mit ſo man¬ nigfaltigen poetiſchen Verdienſten, auch noch ein anderer Sinn, dem ich keinen ganz ei¬ gentlichen Namen zu geben wuͤßte. Man koͤnnte ihn das Beduͤrfniß der Unabhaͤngigkeit nennen, welches immer im Frieden entſpringt, und gerade da, wo man eigentlich nicht ab¬ haͤngig iſt. Im Kriege ertraͤgt man die rohe Gewalt ſo gut man kann, man fuͤhlt ſich wohl phyſiſch und oͤconomiſch verletzt, aber nicht moraliſch; der Zwang beſchaͤmt Nieman¬ den, und es iſt kein ſchimpflicher Dienſt, der Zeit zu dienen; man gewoͤhnt ſich, von Feind und Freund zu leiden, man hat Wuͤnſche und keine Geſinnungen. Im Frieden hingegen
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ſammenhielten, und nachher ſo viel und man¬
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berg, Buͤrger, Voß, Hoͤlty und ande¬
re waren im Glauben und Geiſte um Klop¬
ſtock verſammelt, deſſen Wirkung ſich nach
allen Seiten hin erſtreckte. In einem ſolchen,
ſich immer mehr erweiternden deutſchen Dich¬
terkreiſe entwickelte ſich zugleich, mit ſo man¬
nigfaltigen poetiſchen Verdienſten, auch noch
ein anderer Sinn, dem ich keinen ganz ei¬
gentlichen Namen zu geben wuͤßte. Man
koͤnnte ihn das Beduͤrfniß der Unabhaͤngigkeit
nennen, welches immer im Frieden entſpringt,
und gerade da, wo man eigentlich nicht ab¬
haͤngig iſt. Im Kriege ertraͤgt man die rohe
Gewalt ſo gut man kann, man fuͤhlt ſich
wohl phyſiſch und oͤconomiſch verletzt, aber
nicht moraliſch; der Zwang beſchaͤmt Nieman¬
den, und es iſt kein ſchimpflicher Dienſt, der
Zeit zu dienen; man gewoͤhnt ſich, von Feind
und Freund zu leiden, man hat Wuͤnſche und
keine Geſinnungen. Im Frieden hingegen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/220>, abgerufen am 27.11.2024.
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