Unter uns jungen Leuten ließ sich zwar nichts von jener Art spüren, welche tadelns¬ werth gewesen wäre; aber eine gewisse ähn¬ liche Vorstellung hatte sich unsrer bemächtigt, die aus Poesie, Sittlichkeit und einem edlen Bestreben zusammengeflossen, zwar unschädlich aber doch fruchtlos war.
Durch die Hermanns-Schlacht und die Zueignung derselben an Joseph den Zwey¬ ten hatte Klopstock eine wunderbare Anregung gegeben. Die Deutschen, die sich vom Druck der Römer befreyten, waren herrlich und mächtig dargestellt, und dieses Bild gar wohl geeignet, das Selbstgefühl der Nation zu er¬ wecken. Weil aber im Frieden der Patrio¬ tismus eigentlich nur darin besteht, daß Jeder vor seiner Thüre kehre, seines Amts warte, auch seine Lection lerne, damit es wohl im Hause stehe; so fand das von Klopstock er¬ regte Vaterlandsgefühl keinen Gegenstand, an dem es sich hätte üben können. Friedrich
Unter uns jungen Leuten ließ ſich zwar nichts von jener Art ſpuͤren, welche tadelns¬ werth geweſen waͤre; aber eine gewiſſe aͤhn¬ liche Vorſtellung hatte ſich unſrer bemaͤchtigt, die aus Poeſie, Sittlichkeit und einem edlen Beſtreben zuſammengefloſſen, zwar unſchaͤdlich aber doch fruchtlos war.
Durch die Hermanns-Schlacht und die Zueignung derſelben an Joſeph den Zwey¬ ten hatte Klopſtock eine wunderbare Anregung gegeben. Die Deutſchen, die ſich vom Druck der Roͤmer befreyten, waren herrlich und maͤchtig dargeſtellt, und dieſes Bild gar wohl geeignet, das Selbſtgefuͤhl der Nation zu er¬ wecken. Weil aber im Frieden der Patrio¬ tismus eigentlich nur darin beſteht, daß Jeder vor ſeiner Thuͤre kehre, ſeines Amts warte, auch ſeine Lection lerne, damit es wohl im Hauſe ſtehe; ſo fand das von Klopſtock er¬ regte Vaterlandsgefuͤhl keinen Gegenſtand, an dem es ſich haͤtte uͤben koͤnnen. Friedrich
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Unter uns jungen Leuten ließ ſich zwar
nichts von jener Art ſpuͤren, welche tadelns¬
werth geweſen waͤre; aber eine gewiſſe aͤhn¬
liche Vorſtellung hatte ſich unſrer bemaͤchtigt,
die aus Poeſie, Sittlichkeit und einem edlen
Beſtreben zuſammengefloſſen, zwar unſchaͤdlich
aber doch fruchtlos war.
Durch die Hermanns-Schlacht und
die Zueignung derſelben an Joſeph den Zwey¬
ten hatte Klopſtock eine wunderbare Anregung
gegeben. Die Deutſchen, die ſich vom Druck
der Roͤmer befreyten, waren herrlich und
maͤchtig dargeſtellt, und dieſes Bild gar wohl
geeignet, das Selbſtgefuͤhl der Nation zu er¬
wecken. Weil aber im Frieden der Patrio¬
tismus eigentlich nur darin beſteht, daß Jeder
vor ſeiner Thuͤre kehre, ſeines Amts warte,
auch ſeine Lection lerne, damit es wohl im
Hauſe ſtehe; ſo fand das von Klopſtock er¬
regte Vaterlandsgefuͤhl keinen Gegenſtand, an
dem es ſich haͤtte uͤben koͤnnen. Friedrich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/223>, abgerufen am 27.11.2024.
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