Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

neigt hätte, so bot ich alles auf, was an
mir von Talent und Humor war, mich durch¬
zuwinden und dabey vor der Gesellschaft und
für die Gesellschaft eher zu gewinnen als zu
verlieren. Wenn zu Einlösung eines Pfandes
ein Vers verlangt werden sollte, so richtete
man die Forderung meist an mich. Nun
war ich immer vorbereitet und wußte bey sol¬
cher Gelegenheit etwas zum Lobe der Wir¬
thinn, oder eines Frauenzimmers, die sich
am artigsten gegen mich erwiesen hatte, vor¬
zubringen. Traf es sich, daß mir allenfalls
ein Kuß auferlegt wurde, so suchte ich mich
mit einer Wendung herauszuziehn, mit der
man gleichfalls zufrieden war; und da ich
Zeit gehabt hatte, vorher darüber nachzuden¬
ken, so fehlte es mir nicht an mannigfaltigen
Zierlichkeiten; doch gelangen die aus dem
Stegreife immer am besten.

Als wir nach Hause kamen, schwirrten
die von mehreren Seiten angekommenen Gäste

III. 2

neigt haͤtte, ſo bot ich alles auf, was an
mir von Talent und Humor war, mich durch¬
zuwinden und dabey vor der Geſellſchaft und
fuͤr die Geſellſchaft eher zu gewinnen als zu
verlieren. Wenn zu Einloͤſung eines Pfandes
ein Vers verlangt werden ſollte, ſo richtete
man die Forderung meiſt an mich. Nun
war ich immer vorbereitet und wußte bey ſol¬
cher Gelegenheit etwas zum Lobe der Wir¬
thinn, oder eines Frauenzimmers, die ſich
am artigſten gegen mich erwieſen hatte, vor¬
zubringen. Traf es ſich, daß mir allenfalls
ein Kuß auferlegt wurde, ſo ſuchte ich mich
mit einer Wendung herauszuziehn, mit der
man gleichfalls zufrieden war; und da ich
Zeit gehabt hatte, vorher daruͤber nachzuden¬
ken, ſo fehlte es mir nicht an mannigfaltigen
Zierlichkeiten; doch gelangen die aus dem
Stegreife immer am beſten.

Als wir nach Hauſe kamen, ſchwirrten
die von mehreren Seiten angekommenen Gaͤſte

III. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="17"/>
neigt ha&#x0364;tte, &#x017F;o bot ich alles auf, was an<lb/>
mir von Talent und Humor war, mich durch¬<lb/>
zuwinden und dabey vor der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und<lb/>
fu&#x0364;r die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eher zu gewinnen als zu<lb/>
verlieren. Wenn zu Einlo&#x0364;&#x017F;ung eines Pfandes<lb/>
ein Vers verlangt werden &#x017F;ollte, &#x017F;o richtete<lb/>
man die Forderung mei&#x017F;t an mich. Nun<lb/>
war ich immer vorbereitet und wußte bey &#x017F;ol¬<lb/>
cher Gelegenheit etwas zum Lobe der Wir¬<lb/>
thinn, oder eines Frauenzimmers, die &#x017F;ich<lb/>
am artig&#x017F;ten gegen mich erwie&#x017F;en hatte, vor¬<lb/>
zubringen. Traf es &#x017F;ich, daß mir allenfalls<lb/>
ein Kuß auferlegt wurde, &#x017F;o &#x017F;uchte ich mich<lb/>
mit einer Wendung herauszuziehn, mit der<lb/>
man gleichfalls zufrieden war; und da ich<lb/>
Zeit gehabt hatte, vorher daru&#x0364;ber nachzuden¬<lb/>
ken, &#x017F;o fehlte es mir nicht an mannigfaltigen<lb/>
Zierlichkeiten; doch gelangen die aus dem<lb/>
Stegreife immer am be&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Als wir nach Hau&#x017F;e kamen, &#x017F;chwirrten<lb/>
die von mehreren Seiten angekommenen Ga&#x0364;&#x017F;te<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">III. 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0025] neigt haͤtte, ſo bot ich alles auf, was an mir von Talent und Humor war, mich durch¬ zuwinden und dabey vor der Geſellſchaft und fuͤr die Geſellſchaft eher zu gewinnen als zu verlieren. Wenn zu Einloͤſung eines Pfandes ein Vers verlangt werden ſollte, ſo richtete man die Forderung meiſt an mich. Nun war ich immer vorbereitet und wußte bey ſol¬ cher Gelegenheit etwas zum Lobe der Wir¬ thinn, oder eines Frauenzimmers, die ſich am artigſten gegen mich erwieſen hatte, vor¬ zubringen. Traf es ſich, daß mir allenfalls ein Kuß auferlegt wurde, ſo ſuchte ich mich mit einer Wendung herauszuziehn, mit der man gleichfalls zufrieden war; und da ich Zeit gehabt hatte, vorher daruͤber nachzuden¬ ken, ſo fehlte es mir nicht an mannigfaltigen Zierlichkeiten; doch gelangen die aus dem Stegreife immer am beſten. Als wir nach Hauſe kamen, ſchwirrten die von mehreren Seiten angekommenen Gaͤſte III. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/25
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/25>, abgerufen am 03.12.2024.