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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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schiedenen Reisen, besonders aber bey einem
Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬
schaften, und da er angenehm und einschmei¬
chelnd war, viele Gunst erworben. Er führte
mehrere Chatoullen bey sich, welche den ver¬
trauten Briefwechsel mit mehreren Freunden
enthielten: denn es war überhaupt eine so all¬
gemeine Offenherzigkeit unter den Menschen,
daß man mit keinem Einzelnen sprechen, oder
an ihn schreiben konnte, ohne es zugleich als
an mehrere gerichtet zu betrachten. Man spähte
sein eigen Herz aus und das Herz der andern,
und bey der Gleichgültigkeit der Regierungen
gegen eine solche Mittheilung, bey der durch¬
greifenden Schnelligkeit der Taxischen Posten,
der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen
Porto, griff dieser sittliche und literarische Ver¬
kehr bald weiter um sich.

Solche Correspondenzen, besonders mit be¬
deutenden Personen, wurden sorgfältig gesam¬
melt und alsdann, bey freundschaftlichen Zu¬

ſchiedenen Reiſen, beſonders aber bey einem
Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬
ſchaften, und da er angenehm und einſchmei¬
chelnd war, viele Gunſt erworben. Er fuͤhrte
mehrere Chatoullen bey ſich, welche den ver¬
trauten Briefwechſel mit mehreren Freunden
enthielten: denn es war uͤberhaupt eine ſo all¬
gemeine Offenherzigkeit unter den Menſchen,
daß man mit keinem Einzelnen ſprechen, oder
an ihn ſchreiben konnte, ohne es zugleich als
an mehrere gerichtet zu betrachten. Man ſpaͤhte
ſein eigen Herz aus und das Herz der andern,
und bey der Gleichguͤltigkeit der Regierungen
gegen eine ſolche Mittheilung, bey der durch¬
greifenden Schnelligkeit der Taxiſchen Poſten,
der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen
Porto, griff dieſer ſittliche und literariſche Ver¬
kehr bald weiter um ſich.

Solche Correſpondenzen, beſonders mit be¬
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[272/0280] ſchiedenen Reiſen, beſonders aber bey einem Aufenthalte in der Schweiz, viele Bekannt¬ ſchaften, und da er angenehm und einſchmei¬ chelnd war, viele Gunſt erworben. Er fuͤhrte mehrere Chatoullen bey ſich, welche den ver¬ trauten Briefwechſel mit mehreren Freunden enthielten: denn es war uͤberhaupt eine ſo all¬ gemeine Offenherzigkeit unter den Menſchen, daß man mit keinem Einzelnen ſprechen, oder an ihn ſchreiben konnte, ohne es zugleich als an mehrere gerichtet zu betrachten. Man ſpaͤhte ſein eigen Herz aus und das Herz der andern, und bey der Gleichguͤltigkeit der Regierungen gegen eine ſolche Mittheilung, bey der durch¬ greifenden Schnelligkeit der Taxiſchen Poſten, der Sicherheit des Siegels, dem leidlichen Porto, griff dieſer ſittliche und literariſche Ver¬ kehr bald weiter um ſich. Solche Correſpondenzen, beſonders mit be¬ deutenden Perſonen, wurden ſorgfaͤltig geſam¬ melt und alsdann, bey freundſchaftlichen Zu¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/280>, abgerufen am 25.11.2024.