trieben. Ueberdieß geht ein wildes und un¬ sittliches, gemein-wüstes Wesen bis zum Un¬ erträglichen so entschieden durch, daß es schwer seyn möchte, dem Plan und den Charactern alle ihre Unarten zu benehmen. Sie sind eine derbe und dabey gefährliche Speise, die bloß einer großen und halbverdorbenen Volks¬ masse zu einer gewissen Zeit genießbar und verdaulich gewesen seyn mag. Schröder hat an diesen Dingen mehr gethan als man ge¬ wöhnlich weiß; er hat sie von Grund aus verändert, dem deutschen Sinne angeähnlicht, und sie möglichst gemildert. Es bleibt ihnen aber immer ein herber Kern, weil der Scherz gar oft auf Mishandlung von Personen be¬ ruht, sie mögen es verdienen oder nicht. In diesen Darstellungen, welche sich gleichfalls auf dem Theater verbreiteten, lag also ein heim¬ liches Gegengewicht jener allzu zarten Sittlich¬ keit, und die Wirkung beyder Arten gegen einander hinderte glücklicher Weise die Eintö¬ nigkeit, in die man sonst verfallen wäre.
trieben. Ueberdieß geht ein wildes und un¬ ſittliches, gemein-wuͤſtes Weſen bis zum Un¬ ertraͤglichen ſo entſchieden durch, daß es ſchwer ſeyn moͤchte, dem Plan und den Charactern alle ihre Unarten zu benehmen. Sie ſind eine derbe und dabey gefaͤhrliche Speiſe, die bloß einer großen und halbverdorbenen Volks¬ maſſe zu einer gewiſſen Zeit genießbar und verdaulich geweſen ſeyn mag. Schroͤder hat an dieſen Dingen mehr gethan als man ge¬ woͤhnlich weiß; er hat ſie von Grund aus veraͤndert, dem deutſchen Sinne angeaͤhnlicht, und ſie moͤglichſt gemildert. Es bleibt ihnen aber immer ein herber Kern, weil der Scherz gar oft auf Mishandlung von Perſonen be¬ ruht, ſie moͤgen es verdienen oder nicht. In dieſen Darſtellungen, welche ſich gleichfalls auf dem Theater verbreiteten, lag alſo ein heim¬ liches Gegengewicht jener allzu zarten Sittlich¬ keit, und die Wirkung beyder Arten gegen einander hinderte gluͤcklicher Weiſe die Eintoͤ¬ nigkeit, in die man ſonſt verfallen waͤre.
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trieben. Ueberdieß geht ein wildes und un¬
ſittliches, gemein-wuͤſtes Weſen bis zum Un¬
ertraͤglichen ſo entſchieden durch, daß es ſchwer
ſeyn moͤchte, dem Plan und den Charactern
alle ihre Unarten zu benehmen. Sie ſind
eine derbe und dabey gefaͤhrliche Speiſe, die
bloß einer großen und halbverdorbenen Volks¬
maſſe zu einer gewiſſen Zeit genießbar und
verdaulich geweſen ſeyn mag. Schroͤder hat
an dieſen Dingen mehr gethan als man ge¬
woͤhnlich weiß; er hat ſie von Grund aus
veraͤndert, dem deutſchen Sinne angeaͤhnlicht,
und ſie moͤglichſt gemildert. Es bleibt ihnen
aber immer ein herber Kern, weil der Scherz
gar oft auf Mishandlung von Perſonen be¬
ruht, ſie moͤgen es verdienen oder nicht. In
dieſen Darſtellungen, welche ſich gleichfalls auf
dem Theater verbreiteten, lag alſo ein heim¬
liches Gegengewicht jener allzu zarten Sittlich¬
keit, und die Wirkung beyder Arten gegen
einander hinderte gluͤcklicher Weiſe die Eintoͤ¬
nigkeit, in die man ſonſt verfallen waͤre.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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