lig auf. Das Wunderlichste war dabey, daß er niemals Personen seiner näheren Bekannt¬ schaft wählte, sondern solche die er nur sel¬ ten sah, ja mehrere, die weit in der Welt entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬ nem vorübergehenden Verhältniß gestanden; aber es waren meist Personen, die, mehr empfänglicher als ausgebender Natur, mit reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬ gen zu nehmen bereit sind, die in ihrem Ge¬ sichtskreise liegen, ob er sich gleich manchmal zu diesen dialectischen Uebungen widersprechen¬ de Geister herbeyrief. Hiezu bequemten sich nun Personen beyderley Geschlechts, jedes Alters und Standes, und erwiesen sich ge¬ fällig und unmuthig, da man sich nur von Gegenständen unterhielt, die ihnen deutlich und lieb waren. Höchst wunderbar würde es jedoch manchen vorgekommen seyn, wenn sie hätten erfahren können, wie oft sie zu dieser ideellen Unterhaltung berufen wurden,
lig auf. Das Wunderlichſte war dabey, daß er niemals Perſonen ſeiner naͤheren Bekannt¬ ſchaft waͤhlte, ſondern ſolche die er nur ſel¬ ten ſah, ja mehrere, die weit in der Welt entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬ nem voruͤbergehenden Verhaͤltniß geſtanden; aber es waren meiſt Perſonen, die, mehr empfaͤnglicher als ausgebender Natur, mit reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬ gen zu nehmen bereit ſind, die in ihrem Ge¬ ſichtskreiſe liegen, ob er ſich gleich manchmal zu dieſen dialectiſchen Uebungen widerſprechen¬ de Geiſter herbeyrief. Hiezu bequemten ſich nun Perſonen beyderley Geſchlechts, jedes Alters und Standes, und erwieſen ſich ge¬ faͤllig und unmuthig, da man ſich nur von Gegenſtaͤnden unterhielt, die ihnen deutlich und lieb waren. Hoͤchſt wunderbar wuͤrde es jedoch manchen vorgekommen ſeyn, wenn ſie haͤtten erfahren koͤnnen, wie oft ſie zu dieſer ideellen Unterhaltung berufen wurden,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0326"n="318"/>
lig auf. Das Wunderlichſte war dabey, daß<lb/>
er niemals Perſonen ſeiner naͤheren Bekannt¬<lb/>ſchaft waͤhlte, ſondern ſolche die er nur ſel¬<lb/>
ten ſah, ja mehrere, die weit in der Welt<lb/>
entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬<lb/>
nem voruͤbergehenden Verhaͤltniß geſtanden;<lb/>
aber es waren meiſt Perſonen, die, mehr<lb/>
empfaͤnglicher als ausgebender Natur, mit<lb/>
reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬<lb/>
gen zu nehmen bereit ſind, die in ihrem Ge¬<lb/>ſichtskreiſe liegen, ob er ſich gleich manchmal<lb/>
zu dieſen dialectiſchen Uebungen widerſprechen¬<lb/>
de Geiſter herbeyrief. Hiezu bequemten ſich<lb/>
nun Perſonen beyderley Geſchlechts, jedes<lb/>
Alters und Standes, und erwieſen ſich ge¬<lb/>
faͤllig und unmuthig, da man ſich nur von<lb/>
Gegenſtaͤnden unterhielt, die ihnen deutlich<lb/>
und lieb waren. Hoͤchſt wunderbar wuͤrde<lb/>
es jedoch manchen vorgekommen ſeyn, wenn<lb/>ſie haͤtten erfahren koͤnnen, wie oft ſie zu<lb/>
dieſer ideellen Unterhaltung berufen wurden,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[318/0326]
lig auf. Das Wunderlichſte war dabey, daß
er niemals Perſonen ſeiner naͤheren Bekannt¬
ſchaft waͤhlte, ſondern ſolche die er nur ſel¬
ten ſah, ja mehrere, die weit in der Welt
entfernt lebten, und mit denen er nur in ei¬
nem voruͤbergehenden Verhaͤltniß geſtanden;
aber es waren meiſt Perſonen, die, mehr
empfaͤnglicher als ausgebender Natur, mit
reinem Sinne einen ruhigen Antheil an Din¬
gen zu nehmen bereit ſind, die in ihrem Ge¬
ſichtskreiſe liegen, ob er ſich gleich manchmal
zu dieſen dialectiſchen Uebungen widerſprechen¬
de Geiſter herbeyrief. Hiezu bequemten ſich
nun Perſonen beyderley Geſchlechts, jedes
Alters und Standes, und erwieſen ſich ge¬
faͤllig und unmuthig, da man ſich nur von
Gegenſtaͤnden unterhielt, die ihnen deutlich
und lieb waren. Hoͤchſt wunderbar wuͤrde
es jedoch manchen vorgekommen ſeyn, wenn
ſie haͤtten erfahren koͤnnen, wie oft ſie zu
dieſer ideellen Unterhaltung berufen wurden,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/326>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.