ben, doch den besten Theil desselben, einer oder der andern Partey widmen müssen. Da nun ein solcher Schriftsteller die Seinigen denen er ergeben ist, die Sache der er an¬ hängt, nicht loben und herausstreichen darf, weil er sonst nur Neid und Widerwillen er¬ regen würde; so übt er sein Talent, indem er von den Gegnern so übel und schlecht als möglich spricht, und die satyrischen Waffen, so sehr er nur vermag, schärft ja vergiftet. Geschieht dieses nun von beyden Theilen, so wird die dazwischen liegende Welt zerstört und rein aufgehoben, so daß man in einem großen, verständig thätigen Volksverein zum allergelindesten nichts als Thorheit und Wahn¬ sinn entdecken kann. Selbst ihre zärtlichen Gedichte beschäftigen sich mit traurigen Ge¬ genständen. Hier stirbt ein verlassenes Mäd¬ chen, dort ertrinkt ein getreuer Liebhaber, oder wird, ehe er voreilig schwimmend seine Geliebte erreicht, von einem Hayfische gefres¬ sen; und wenn ein Dichter wie Gray sich
ben, doch den beſten Theil deſſelben, einer oder der andern Partey widmen muͤſſen. Da nun ein ſolcher Schriftſteller die Seinigen denen er ergeben iſt, die Sache der er an¬ haͤngt, nicht loben und herausſtreichen darf, weil er ſonſt nur Neid und Widerwillen er¬ regen wuͤrde; ſo uͤbt er ſein Talent, indem er von den Gegnern ſo uͤbel und ſchlecht als moͤglich ſpricht, und die ſatyriſchen Waffen, ſo ſehr er nur vermag, ſchaͤrft ja vergiftet. Geſchieht dieſes nun von beyden Theilen, ſo wird die dazwiſchen liegende Welt zerſtoͤrt und rein aufgehoben, ſo daß man in einem großen, verſtaͤndig thaͤtigen Volksverein zum allergelindeſten nichts als Thorheit und Wahn¬ ſinn entdecken kann. Selbſt ihre zaͤrtlichen Gedichte beſchaͤftigen ſich mit traurigen Ge¬ genſtaͤnden. Hier ſtirbt ein verlaſſenes Maͤd¬ chen, dort ertrinkt ein getreuer Liebhaber, oder wird, ehe er voreilig ſchwimmend ſeine Geliebte erreicht, von einem Hayfiſche gefreſ¬ ſen; und wenn ein Dichter wie Gray ſich
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ben, doch den beſten Theil deſſelben, einer
oder der andern Partey widmen muͤſſen. Da
nun ein ſolcher Schriftſteller die Seinigen
denen er ergeben iſt, die Sache der er an¬
haͤngt, nicht loben und herausſtreichen darf,
weil er ſonſt nur Neid und Widerwillen er¬
regen wuͤrde; ſo uͤbt er ſein Talent, indem
er von den Gegnern ſo uͤbel und ſchlecht als
moͤglich ſpricht, und die ſatyriſchen Waffen,
ſo ſehr er nur vermag, ſchaͤrft ja vergiftet.
Geſchieht dieſes nun von beyden Theilen, ſo
wird die dazwiſchen liegende Welt zerſtoͤrt
und rein aufgehoben, ſo daß man in einem
großen, verſtaͤndig thaͤtigen Volksverein zum
allergelindeſten nichts als Thorheit und Wahn¬
ſinn entdecken kann. Selbſt ihre zaͤrtlichen
Gedichte beſchaͤftigen ſich mit traurigen Ge¬
genſtaͤnden. Hier ſtirbt ein verlaſſenes Maͤd¬
chen, dort ertrinkt ein getreuer Liebhaber,
oder wird, ehe er voreilig ſchwimmend ſeine
Geliebte erreicht, von einem Hayfiſche gefreſ¬
ſen; und wenn ein Dichter wie Gray ſich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/337>, abgerufen am 23.11.2024.
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