lein selber sprechen, welches, einen alten Reim nachahmend, sich also ausdrückte:
Mag jener dünkelhafte Mann Mich als gefährlich preisen; Der plumpe, der nicht schwimmen kann, Er will's dem Wasser verweisen! Was schiert mich der Berliner Bann, Geschmäcklerpfaffenwesen! Und wer mich nicht verstehen kann Der lerne besser lesen.
Vorbereitet auf alles was man gegen den Werther vorbringen würde, fand ich so viele Widerreden keineswegs verdrießlich; aber dar¬ an hatte ich nicht gedacht, daß mir durch theilnehmende, wohlwollende Seelen eine un¬ leidliche Qual bereitet sey: denn anstatt daß mir jemand über mein Büchlein wie es lag, etwas Verbindliches gesagt hätte, so wollten sie sämmtlich ein für allemal wissen, was denn eigentlich an der Sache wahr sey? wo¬
lein ſelber ſprechen, welches, einen alten Reim nachahmend, ſich alſo ausdruͤckte:
Mag jener duͤnkelhafte Mann Mich als gefaͤhrlich preiſen; Der plumpe, der nicht ſchwimmen kann, Er will's dem Waſſer verweiſen! Was ſchiert mich der Berliner Bann, Geſchmaͤcklerpfaffenweſen! Und wer mich nicht verſtehen kann Der lerne beſſer leſen.
Vorbereitet auf alles was man gegen den Werther vorbringen wuͤrde, fand ich ſo viele Widerreden keineswegs verdrießlich; aber dar¬ an hatte ich nicht gedacht, daß mir durch theilnehmende, wohlwollende Seelen eine un¬ leidliche Qual bereitet ſey: denn anſtatt daß mir jemand uͤber mein Buͤchlein wie es lag, etwas Verbindliches geſagt haͤtte, ſo wollten ſie ſaͤmmtlich ein fuͤr allemal wiſſen, was denn eigentlich an der Sache wahr ſey? wo¬
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lein ſelber ſprechen, welches, einen alten Reim
nachahmend, ſich alſo ausdruͤckte:
Mag jener duͤnkelhafte Mann
Mich als gefaͤhrlich preiſen;
Der plumpe, der nicht ſchwimmen kann,
Er will's dem Waſſer verweiſen!
Was ſchiert mich der Berliner Bann,
Geſchmaͤcklerpfaffenweſen!
Und wer mich nicht verſtehen kann
Der lerne beſſer leſen.
Vorbereitet auf alles was man gegen den
Werther vorbringen wuͤrde, fand ich ſo viele
Widerreden keineswegs verdrießlich; aber dar¬
an hatte ich nicht gedacht, daß mir durch
theilnehmende, wohlwollende Seelen eine un¬
leidliche Qual bereitet ſey: denn anſtatt daß
mir jemand uͤber mein Buͤchlein wie es lag,
etwas Verbindliches geſagt haͤtte, ſo wollten
ſie ſaͤmmtlich ein fuͤr allemal wiſſen, was
denn eigentlich an der Sache wahr ſey? wo¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/362>, abgerufen am 24.11.2024.
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