liebte, an die er fest geknüpft war. Lenz, um den zweyten Bruder, der auch um die¬ ses Frauenzimmer warb, und andere Liebha¬ ber zurückzudrängen, und das kostbare Herz seinem abwesenden Freunde zu erhalten, be¬ schloß nun selbst sich in die Schöne verliebt zu stellen, oder, wenn man will, zu verlie¬ ben. Er setzte diese seine These mit der hart¬ näckigsten Anhänglichkeit an das Ideal, das er sich von ihr gemacht hatte, durch, ohne gewahr werden zu wollen, daß er so gut als die übrigen ihr nur zum Scherz und zur Unter¬ haltung diene. Desto besser für ihn! denn bey ihm war es auch nur Spiel, welches desto länger dauern konnte als sie es ihm gleichfalls spielend erwiederte, ihn bald anzog, bald abstieß, bald hervorrief, bald hintan¬ setzte. Man sey überzeugt, daß wenn er zum Bewußtseyn kam, wie ihm denn das zuweilen zu geschehen pflegte, er sich zu ei¬ nem solchen Fund recht behaglich Glück ge¬ wünscht habe.
liebte, an die er feſt geknuͤpft war. Lenz, um den zweyten Bruder, der auch um die¬ ſes Frauenzimmer warb, und andere Liebha¬ ber zuruͤckzudraͤngen, und das koſtbare Herz ſeinem abweſenden Freunde zu erhalten, be¬ ſchloß nun ſelbſt ſich in die Schoͤne verliebt zu ſtellen, oder, wenn man will, zu verlie¬ ben. Er ſetzte dieſe ſeine Theſe mit der hart¬ naͤckigſten Anhaͤnglichkeit an das Ideal, das er ſich von ihr gemacht hatte, durch, ohne gewahr werden zu wollen, daß er ſo gut als die uͤbrigen ihr nur zum Scherz und zur Unter¬ haltung diene. Deſto beſſer fuͤr ihn! denn bey ihm war es auch nur Spiel, welches deſto laͤnger dauern konnte als ſie es ihm gleichfalls ſpielend erwiederte, ihn bald anzog, bald abſtieß, bald hervorrief, bald hintan¬ ſetzte. Man ſey uͤberzeugt, daß wenn er zum Bewußtſeyn kam, wie ihm denn das zuweilen zu geſchehen pflegte, er ſich zu ei¬ nem ſolchen Fund recht behaglich Gluͤck ge¬ wuͤnſcht habe.
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liebte, an die er feſt geknuͤpft war. Lenz,
um den zweyten Bruder, der auch um die¬
ſes Frauenzimmer warb, und andere Liebha¬
ber zuruͤckzudraͤngen, und das koſtbare Herz
ſeinem abweſenden Freunde zu erhalten, be¬
ſchloß nun ſelbſt ſich in die Schoͤne verliebt
zu ſtellen, oder, wenn man will, zu verlie¬
ben. Er ſetzte dieſe ſeine Theſe mit der hart¬
naͤckigſten Anhaͤnglichkeit an das Ideal, das
er ſich von ihr gemacht hatte, durch, ohne
gewahr werden zu wollen, daß er ſo gut als
die uͤbrigen ihr nur zum Scherz und zur Unter¬
haltung diene. Deſto beſſer fuͤr ihn! denn
bey ihm war es auch nur Spiel, welches
deſto laͤnger dauern konnte als ſie es ihm
gleichfalls ſpielend erwiederte, ihn bald anzog,
bald abſtieß, bald hervorrief, bald hintan¬
ſetzte. Man ſey uͤberzeugt, daß wenn er
zum Bewußtſeyn kam, wie ihm denn das
zuweilen zu geſchehen pflegte, er ſich zu ei¬
nem ſolchen Fund recht behaglich Gluͤck ge¬
wuͤnſcht habe.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/386>, abgerufen am 27.11.2024.
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