wird mehr Vorwand als Zweck, alle denkba¬ ren Mittel müssen benutzt werden; es fehlt nicht an Grausamkeiten. Eine Frau, deren Mann er hat hinrichten lassen, vergiftet ihn. Im fünften fühlt er sich vergiftet. Seine große Fassung, die Wiederkehr zu sich selbst, zum höheren Sinne, machen ihn der Be¬ wunderung würdig. Er reinigt seine Lehre, befestigt sein Reich und stirbt.
So war der Entwurf einer Arbeit, die mich lange im Geist beschäftigte: denn ge¬ wöhnlich mußte ich erst etwas im Sinne bey¬ sammen haben, eh ich zur Ausführung schritt. Alles was das Genie durch Character und Geist über die Menschen vermag, sollte dar¬ gestellt werden, und wie es dabey gewinnt und verliert. Mehrere einzuschaltende Ge¬ sänge wurden vorläufig gedichtet, von denen ist allein noch übrig, was überschrieben Ma¬ homets Gesang, unter meinen Gedich¬
wird mehr Vorwand als Zweck, alle denkba¬ ren Mittel muͤſſen benutzt werden; es fehlt nicht an Grauſamkeiten. Eine Frau, deren Mann er hat hinrichten laſſen, vergiftet ihn. Im fuͤnften fuͤhlt er ſich vergiftet. Seine große Faſſung, die Wiederkehr zu ſich ſelbſt, zum hoͤheren Sinne, machen ihn der Be¬ wunderung wuͤrdig. Er reinigt ſeine Lehre, befeſtigt ſein Reich und ſtirbt.
So war der Entwurf einer Arbeit, die mich lange im Geiſt beſchaͤftigte: denn ge¬ woͤhnlich mußte ich erſt etwas im Sinne bey¬ ſammen haben, eh ich zur Ausfuͤhrung ſchritt. Alles was das Genie durch Character und Geiſt uͤber die Menſchen vermag, ſollte dar¬ geſtellt werden, und wie es dabey gewinnt und verliert. Mehrere einzuſchaltende Ge¬ ſaͤnge wurden vorlaͤufig gedichtet, von denen iſt allein noch uͤbrig, was uͤberſchrieben Ma¬ homets Geſang, unter meinen Gedich¬
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wird mehr Vorwand als Zweck, alle denkba¬
ren Mittel muͤſſen benutzt werden; es fehlt
nicht an Grauſamkeiten. Eine Frau, deren
Mann er hat hinrichten laſſen, vergiftet ihn.
Im fuͤnften fuͤhlt er ſich vergiftet. Seine
große Faſſung, die Wiederkehr zu ſich ſelbſt,
zum hoͤheren Sinne, machen ihn der Be¬
wunderung wuͤrdig. Er reinigt ſeine Lehre,
befeſtigt ſein Reich und ſtirbt.
So war der Entwurf einer Arbeit, die
mich lange im Geiſt beſchaͤftigte: denn ge¬
woͤhnlich mußte ich erſt etwas im Sinne bey¬
ſammen haben, eh ich zur Ausfuͤhrung ſchritt.
Alles was das Genie durch Character und
Geiſt uͤber die Menſchen vermag, ſollte dar¬
geſtellt werden, und wie es dabey gewinnt
und verliert. Mehrere einzuſchaltende Ge¬
ſaͤnge wurden vorlaͤufig gedichtet, von denen
iſt allein noch uͤbrig, was uͤberſchrieben Ma¬
homets Geſang, unter meinen Gedich¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/463>, abgerufen am 23.11.2024.
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