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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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wobey ich gleich anfangs mit Vergnügen be¬
merkte, daß man die Sache heiter und lustig
betrachtete. Wie es aber mit dieser Posse,
welche so großes Aufsehn erregt, eigentlich
zugegangen, war ich zu erzählen veranlaßt,
und so konnte ich nicht umhin, vor allen
Dingen einzugestehn, daß wir, als wahr¬
haft oberrheinische Gesellen, sowohl der Nei¬
gung als Abneigung keine Gränzen kannten.
Die Verehrung Shakespears ging bey uns
bis zur Anbetung. Wieland hatte hingegen,
bey der entschiedenen Eigenheit sich und sei¬
nen Lesern das Interesse zu verderben und
den Enthusiasmus zu verkümmern, in den
Noten zu seiner Uebersetzung gar manches an
dem großen Autor getadelt, und zwar auf
eine Weise, die uns äußerst verdroß und in
unsern Augen das Verdienst dieser Arbeit
schmälerte. Wir sahen Wielanden, den wir
als Dichter so hoch verehrten, der uns als
Uebersetzer so großen Vortheil gebracht, nun¬
mehr als Critiker, launisch, einseitig und un¬

wobey ich gleich anfangs mit Vergnuͤgen be¬
merkte, daß man die Sache heiter und luſtig
betrachtete. Wie es aber mit dieſer Poſſe,
welche ſo großes Aufſehn erregt, eigentlich
zugegangen, war ich zu erzaͤhlen veranlaßt,
und ſo konnte ich nicht umhin, vor allen
Dingen einzugeſtehn, daß wir, als wahr¬
haft oberrheiniſche Geſellen, ſowohl der Nei¬
gung als Abneigung keine Graͤnzen kannten.
Die Verehrung Shakespears ging bey uns
bis zur Anbetung. Wieland hatte hingegen,
bey der entſchiedenen Eigenheit ſich und ſei¬
nen Leſern das Intereſſe zu verderben und
den Enthuſiasmus zu verkuͤmmern, in den
Noten zu ſeiner Ueberſetzung gar manches an
dem großen Autor getadelt, und zwar auf
eine Weiſe, die uns aͤußerſt verdroß und in
unſern Augen das Verdienſt dieſer Arbeit
ſchmaͤlerte. Wir ſahen Wielanden, den wir
als Dichter ſo hoch verehrten, der uns als
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[498/0506] wobey ich gleich anfangs mit Vergnuͤgen be¬ merkte, daß man die Sache heiter und luſtig betrachtete. Wie es aber mit dieſer Poſſe, welche ſo großes Aufſehn erregt, eigentlich zugegangen, war ich zu erzaͤhlen veranlaßt, und ſo konnte ich nicht umhin, vor allen Dingen einzugeſtehn, daß wir, als wahr¬ haft oberrheiniſche Geſellen, ſowohl der Nei¬ gung als Abneigung keine Graͤnzen kannten. Die Verehrung Shakespears ging bey uns bis zur Anbetung. Wieland hatte hingegen, bey der entſchiedenen Eigenheit ſich und ſei¬ nen Leſern das Intereſſe zu verderben und den Enthuſiasmus zu verkuͤmmern, in den Noten zu ſeiner Ueberſetzung gar manches an dem großen Autor getadelt, und zwar auf eine Weiſe, die uns aͤußerſt verdroß und in unſern Augen das Verdienſt dieſer Arbeit ſchmaͤlerte. Wir ſahen Wielanden, den wir als Dichter ſo hoch verehrten, der uns als Ueberſetzer ſo großen Vortheil gebracht, nun¬ mehr als Critiker, launiſch, einſeitig und un¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/506>, abgerufen am 24.11.2024.