den wechselseitig verkündigt und mitgenossen. Wir trugen alle Freude, wie ein Gemeingut, zusammen und wußten sie durch Geist und Liebe zu steigern. Es war nicht das erste und letzte Mal, daß ich mich in Familien, in geselligen Kreisen befand gerade im Au¬ genblick ihrer höchsten Blüte, und wenn ich mir schmeicheln darf, etwas zu dem Glanz solcher Epochen beygetragen zu haben, so muß ich mir dagegen vorwerfen, daß solche Zeiten uns eben deshalb schneller vorübergeeilt und früher verschwunden.
Nun sollte aber unsere Liebe noch eine sonderbare Prüfung ausstehn. Ich will es Prüfung nennen, obgleich dieß nicht das rech¬ te Wort ist. Die ländliche Familie, der ich befreundet war, hatte verwandte Häuser in der Stadt, von gutem Ansehn und Ruf und in behaglichen Vermögensumständen. Die jungen Städter waren öfters in Sesenheim. Die ältern Personen, Mütter und Tanten.
III. 4
den wechſelſeitig verkuͤndigt und mitgenoſſen. Wir trugen alle Freude, wie ein Gemeingut, zuſammen und wußten ſie durch Geiſt und Liebe zu ſteigern. Es war nicht das erſte und letzte Mal, daß ich mich in Familien, in geſelligen Kreiſen befand gerade im Au¬ genblick ihrer hoͤchſten Bluͤte, und wenn ich mir ſchmeicheln darf, etwas zu dem Glanz ſolcher Epochen beygetragen zu haben, ſo muß ich mir dagegen vorwerfen, daß ſolche Zeiten uns eben deshalb ſchneller voruͤbergeeilt und fruͤher verſchwunden.
Nun ſollte aber unſere Liebe noch eine ſonderbare Pruͤfung ausſtehn. Ich will es Pruͤfung nennen, obgleich dieß nicht das rech¬ te Wort iſt. Die laͤndliche Familie, der ich befreundet war, hatte verwandte Haͤuſer in der Stadt, von gutem Anſehn und Ruf und in behaglichen Vermoͤgensumſtaͤnden. Die jungen Staͤdter waren oͤfters in Seſenheim. Die aͤltern Perſonen, Muͤtter und Tanten.
III. 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="49"/>
den wechſelſeitig verkuͤndigt und mitgenoſſen.<lb/>
Wir trugen alle Freude, wie ein Gemeingut,<lb/>
zuſammen und wußten ſie durch Geiſt und<lb/>
Liebe zu ſteigern. Es war nicht das erſte<lb/>
und letzte Mal, daß ich mich in Familien,<lb/>
in geſelligen Kreiſen befand gerade im Au¬<lb/>
genblick ihrer hoͤchſten Bluͤte, und wenn ich<lb/>
mir ſchmeicheln darf, etwas zu dem Glanz<lb/>ſolcher Epochen beygetragen zu haben, ſo<lb/>
muß ich mir dagegen vorwerfen, daß ſolche<lb/>
Zeiten uns eben deshalb ſchneller voruͤbergeeilt<lb/>
und fruͤher verſchwunden.</p><lb/><p>Nun ſollte aber unſere Liebe noch eine<lb/>ſonderbare Pruͤfung ausſtehn. Ich will es<lb/>
Pruͤfung nennen, obgleich dieß nicht das rech¬<lb/>
te Wort iſt. Die laͤndliche Familie, der ich<lb/>
befreundet war, hatte verwandte Haͤuſer in<lb/>
der Stadt, von gutem Anſehn und Ruf und<lb/>
in behaglichen Vermoͤgensumſtaͤnden. Die<lb/>
jungen Staͤdter waren oͤfters in Seſenheim.<lb/>
Die aͤltern Perſonen, Muͤtter und Tanten.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">III. 4<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[49/0057]
den wechſelſeitig verkuͤndigt und mitgenoſſen.
Wir trugen alle Freude, wie ein Gemeingut,
zuſammen und wußten ſie durch Geiſt und
Liebe zu ſteigern. Es war nicht das erſte
und letzte Mal, daß ich mich in Familien,
in geſelligen Kreiſen befand gerade im Au¬
genblick ihrer hoͤchſten Bluͤte, und wenn ich
mir ſchmeicheln darf, etwas zu dem Glanz
ſolcher Epochen beygetragen zu haben, ſo
muß ich mir dagegen vorwerfen, daß ſolche
Zeiten uns eben deshalb ſchneller voruͤbergeeilt
und fruͤher verſchwunden.
Nun ſollte aber unſere Liebe noch eine
ſonderbare Pruͤfung ausſtehn. Ich will es
Pruͤfung nennen, obgleich dieß nicht das rech¬
te Wort iſt. Die laͤndliche Familie, der ich
befreundet war, hatte verwandte Haͤuſer in
der Stadt, von gutem Anſehn und Ruf und
in behaglichen Vermoͤgensumſtaͤnden. Die
jungen Staͤdter waren oͤfters in Seſenheim.
Die aͤltern Perſonen, Muͤtter und Tanten.
III. 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/57>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.