Haus zu verlassen, auf das Theater zu ge¬ hen, mir seine Hand anzubieten.
Leere Hände haben wir schon vier.
Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort, entscheide du! Stoße mich da oder dort hin, nur wisse noch eins: wahrscheinlich trag' ich ein Pfand im Busen, das uns noch mehr an einander fesseln sollte, das bedenke und ent¬ scheide, wen soll ich lassen? wem soll ich folgen?
Nach einigem Stillschweigen rief die Alte: daß doch die Jugend immer zwischen den Extremen schwankt! Ich finde nichts natürli¬ cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬ gnügen und Vortheil bringt. Liebst du den Einen, so mag der Andere bezahlen, es kommt nur darauf an, daß wir klug genug sind, sie beide auseinander zu halten. --
Mache was du willst, ich kann nichts denken; aber folgen will ich.
Haus zu verlaſſen, auf das Theater zu ge¬ hen, mir ſeine Hand anzubieten.
Leere Hände haben wir ſchon vier.
Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort, entſcheide du! Stoße mich da oder dort hin, nur wiſſe noch eins: wahrſcheinlich trag’ ich ein Pfand im Buſen, das uns noch mehr an einander feſſeln ſollte, das bedenke und ent¬ ſcheide, wen ſoll ich laſſen? wem ſoll ich folgen?
Nach einigem Stillſchweigen rief die Alte: daß doch die Jugend immer zwiſchen den Extremen ſchwankt! Ich finde nichts natürli¬ cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬ gnügen und Vortheil bringt. Liebſt du den Einen, ſo mag der Andere bezahlen, es kommt nur darauf an, daß wir klug genug ſind, ſie beide auseinander zu halten. —
Mache was du willſt, ich kann nichts denken; aber folgen will ich.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0112"n="104"/>
Haus zu verlaſſen, auf das Theater zu ge¬<lb/>
hen, mir ſeine Hand anzubieten.</p><lb/><p>Leere Hände haben wir ſchon vier.</p><lb/><p>Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort,<lb/>
entſcheide du! Stoße mich da oder dort hin,<lb/>
nur wiſſe noch eins: wahrſcheinlich trag’ ich<lb/>
ein Pfand im Buſen, das uns noch mehr an<lb/>
einander feſſeln ſollte, das bedenke und ent¬<lb/>ſcheide, wen ſoll ich laſſen? wem ſoll ich<lb/>
folgen?</p><lb/><p>Nach einigem Stillſchweigen rief die Alte:<lb/>
daß doch die Jugend immer zwiſchen den<lb/>
Extremen ſchwankt! Ich finde nichts natürli¬<lb/>
cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬<lb/>
gnügen und Vortheil bringt. Liebſt du den<lb/>
Einen, ſo mag der Andere bezahlen, es<lb/>
kommt nur darauf an, daß wir klug genug<lb/>ſind, ſie beide auseinander zu halten. —</p><lb/><p>Mache was du willſt, ich kann nichts<lb/>
denken; aber folgen will ich.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[104/0112]
Haus zu verlaſſen, auf das Theater zu ge¬
hen, mir ſeine Hand anzubieten.
Leere Hände haben wir ſchon vier.
Ich habe keine Wahl, fuhr Mariane fort,
entſcheide du! Stoße mich da oder dort hin,
nur wiſſe noch eins: wahrſcheinlich trag’ ich
ein Pfand im Buſen, das uns noch mehr an
einander feſſeln ſollte, das bedenke und ent¬
ſcheide, wen ſoll ich laſſen? wem ſoll ich
folgen?
Nach einigem Stillſchweigen rief die Alte:
daß doch die Jugend immer zwiſchen den
Extremen ſchwankt! Ich finde nichts natürli¬
cher, als alles zu verbinden, was uns Ver¬
gnügen und Vortheil bringt. Liebſt du den
Einen, ſo mag der Andere bezahlen, es
kommt nur darauf an, daß wir klug genug
ſind, ſie beide auseinander zu halten. —
Mache was du willſt, ich kann nichts
denken; aber folgen will ich.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/112>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.