Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Schrecken erzeugt, in folgenden Augenblicken
der Fassung für ein Kind des Schreckens ge¬
halten wird, und die fürchterliche Erscheinung
Zweifel ohne Ende in der Seele zurück läßt;
so war auch Wilhelm in der größten Un¬
ruhe, als er an einen Eckstein gelehnt, die
Helle des Morgens und das Geschrey der
Hähne nicht achtete, bis die frühen Gewer¬
be lebendig zu werden anfingen, und ihn
nach Hause trieben.

Er hatte, wie er zurück kam, das uner¬
wartete Blendwerk mit den triftigsten Grün¬
den beynahe aus der Seele vertrieben; doch
die schöne Stimmung der Nacht, an die er
jetzt auch nur wie an eine Erscheinung zu¬
rück dachte, war auch dahin. Sein Herz zu
letzen, ein Siegel seinem wiederkehrenden
Glauben aufzudrücken, nahm er das Hals¬
tuch aus der vorigen Tasche. Das Rauschen
eines Zettels, der herausfiel, zog ihm das

Schrecken erzeugt, in folgenden Augenblicken
der Faſſung für ein Kind des Schreckens ge¬
halten wird, und die fürchterliche Erſcheinung
Zweifel ohne Ende in der Seele zurück läßt;
ſo war auch Wilhelm in der größten Un¬
ruhe, als er an einen Eckſtein gelehnt, die
Helle des Morgens und das Geſchrey der
Hähne nicht achtete, bis die frühen Gewer¬
be lebendig zu werden anfingen, und ihn
nach Hauſe trieben.

Er hatte, wie er zurück kam, das uner¬
wartete Blendwerk mit den triftigſten Grün¬
den beynahe aus der Seele vertrieben; doch
die ſchöne Stimmung der Nacht, an die er
jetzt auch nur wie an eine Erſcheinung zu¬
rück dachte, war auch dahin. Sein Herz zu
letzen, ein Siegel ſeinem wiederkehrenden
Glauben aufzudrücken, nahm er das Hals¬
tuch aus der vorigen Taſche. Das Rauſchen
eines Zettels, der herausfiel, zog ihm das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="180"/>
Schrecken erzeugt, in folgenden Augenblicken<lb/>
der Fa&#x017F;&#x017F;ung für ein Kind des Schreckens ge¬<lb/>
halten wird, und die fürchterliche Er&#x017F;cheinung<lb/>
Zweifel ohne Ende in der Seele zurück läßt;<lb/>
&#x017F;o war auch Wilhelm in der größten Un¬<lb/>
ruhe, als er an einen Eck&#x017F;tein gelehnt, die<lb/>
Helle des Morgens und das Ge&#x017F;chrey der<lb/>
Hähne nicht achtete, bis die frühen Gewer¬<lb/>
be lebendig zu werden anfingen, und ihn<lb/>
nach Hau&#x017F;e trieben.</p><lb/>
            <p>Er hatte, wie er zurück kam, das uner¬<lb/>
wartete Blendwerk mit den triftig&#x017F;ten Grün¬<lb/>
den beynahe aus der Seele vertrieben; doch<lb/>
die &#x017F;chöne Stimmung der Nacht, an die er<lb/>
jetzt auch nur wie an eine Er&#x017F;cheinung zu¬<lb/>
rück dachte, war auch dahin. Sein Herz zu<lb/>
letzen, ein Siegel &#x017F;einem wiederkehrenden<lb/>
Glauben aufzudrücken, nahm er das Hals¬<lb/>
tuch aus der vorigen Ta&#x017F;che. Das Rau&#x017F;chen<lb/>
eines Zettels, der herausfiel, zog ihm das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0188] Schrecken erzeugt, in folgenden Augenblicken der Faſſung für ein Kind des Schreckens ge¬ halten wird, und die fürchterliche Erſcheinung Zweifel ohne Ende in der Seele zurück läßt; ſo war auch Wilhelm in der größten Un¬ ruhe, als er an einen Eckſtein gelehnt, die Helle des Morgens und das Geſchrey der Hähne nicht achtete, bis die frühen Gewer¬ be lebendig zu werden anfingen, und ihn nach Hauſe trieben. Er hatte, wie er zurück kam, das uner¬ wartete Blendwerk mit den triftigſten Grün¬ den beynahe aus der Seele vertrieben; doch die ſchöne Stimmung der Nacht, an die er jetzt auch nur wie an eine Erſcheinung zu¬ rück dachte, war auch dahin. Sein Herz zu letzen, ein Siegel ſeinem wiederkehrenden Glauben aufzudrücken, nahm er das Hals¬ tuch aus der vorigen Taſche. Das Rauſchen eines Zettels, der herausfiel, zog ihm das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/188
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/188>, abgerufen am 23.11.2024.