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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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und Bewegung, dem Gebirge sich nähern,
wo er einige Aufträge ausrichten sollte.

Er durchstrich langsam Thäler und Berge
mit der Empfindung des größten Vergnü¬
gens. Überhangende Felsen, rauschende Was¬
serbäche, bewachsene Wände, tiefe Gründe
sah er hier zum erstenmal, und doch hatten
seine frühsten Jugendträume schon in solchen
Gegenden geschwebt. Er fühlte sich bey die¬
sem Anblicke wieder verjüngt, alle erduldete
Schmerzen waren aus seiner Seele wegge¬
waschen, und mit völliger Heiterkeit sagte er
sich Stellen aus verschiedenen Gedichten, be¬
sonders aus dem Pastor fido vor, die an
diesen einsamen Plätzen schaarenweis seinem
Gedächtnisse zuflossen. Auch erinnerte er sich
mancher Stellen aus seinen eigenen Liedern,
die er mit einer besondern Zufriedenheit rezi¬
tirte. Er belebte die Welt, die vor ihm lag,
mit allen Gestalten der Vergangenheit, und

und Bewegung, dem Gebirge ſich nähern,
wo er einige Aufträge ausrichten ſollte.

Er durchſtrich langſam Thäler und Berge
mit der Empfindung des größten Vergnü¬
gens. Überhangende Felſen, rauſchende Waſ¬
ſerbäche, bewachſene Wände, tiefe Gründe
ſah er hier zum erſtenmal, und doch hatten
ſeine frühſten Jugendträume ſchon in ſolchen
Gegenden geſchwebt. Er fühlte ſich bey die¬
ſem Anblicke wieder verjüngt, alle erduldete
Schmerzen waren aus ſeiner Seele wegge¬
waſchen, und mit völliger Heiterkeit ſagte er
ſich Stellen aus verſchiedenen Gedichten, be¬
ſonders aus dem Paſtor fido vor, die an
dieſen einſamen Plätzen ſchaarenweis ſeinem
Gedächtniſſe zufloſſen. Auch erinnerte er ſich
mancher Stellen aus ſeinen eigenen Liedern,
die er mit einer beſondern Zufriedenheit rezi¬
tirte. Er belebte die Welt, die vor ihm lag,
mit allen Geſtalten der Vergangenheit, und

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[214/0222] und Bewegung, dem Gebirge ſich nähern, wo er einige Aufträge ausrichten ſollte. Er durchſtrich langſam Thäler und Berge mit der Empfindung des größten Vergnü¬ gens. Überhangende Felſen, rauſchende Waſ¬ ſerbäche, bewachſene Wände, tiefe Gründe ſah er hier zum erſtenmal, und doch hatten ſeine frühſten Jugendträume ſchon in ſolchen Gegenden geſchwebt. Er fühlte ſich bey die¬ ſem Anblicke wieder verjüngt, alle erduldete Schmerzen waren aus ſeiner Seele wegge¬ waſchen, und mit völliger Heiterkeit ſagte er ſich Stellen aus verſchiedenen Gedichten, be¬ ſonders aus dem Paſtor fido vor, die an dieſen einſamen Plätzen ſchaarenweis ſeinem Gedächtniſſe zufloſſen. Auch erinnerte er ſich mancher Stellen aus ſeinen eigenen Liedern, die er mit einer beſondern Zufriedenheit rezi¬ tirte. Er belebte die Welt, die vor ihm lag, mit allen Geſtalten der Vergangenheit, und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/222>, abgerufen am 21.11.2024.