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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Sollte es nicht eine angenehme und würdige
Arbeit für einen Staatsmann seyn, den na¬
türlichen, wechselseitigen Einfluß aller Stän¬
de zu überschauen, und einen Dichter, der
Humor genug hätte, bey seinen Arbeiten zu
leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf
diesem Wege manche sehr unterhaltende, zu¬
gleich nützliche und lustige Stücke ersonnen
werden.

So viel ich, sagte Laertes, überall wo ich
herumgeschwärmt bin, habe bemerken kön¬
nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern
und abzulehnen; selten aber zu gebieten, zu
befördern und zu belohnen. Man läßt alles
in der Welt gehn, bis es schädlich wird, dann
zürnt man und schlägt drein.

Laßt mir den Staat und die Staatsleute
weg, sagte Philine, ich kann mir sie nicht
anders als in Perücken vorstellen, und eine
Perücke, es mag sie aufhaben wer da will

Sollte es nicht eine angenehme und würdige
Arbeit für einen Staatsmann ſeyn, den na¬
türlichen, wechſelſeitigen Einfluß aller Stän¬
de zu überſchauen, und einen Dichter, der
Humor genug hätte, bey ſeinen Arbeiten zu
leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf
dieſem Wege manche ſehr unterhaltende, zu¬
gleich nützliche und luſtige Stücke erſonnen
werden.

So viel ich, ſagte Laertes, überall wo ich
herumgeſchwärmt bin, habe bemerken kön¬
nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern
und abzulehnen; ſelten aber zu gebieten, zu
befördern und zu belohnen. Man läßt alles
in der Welt gehn, bis es ſchädlich wird, dann
zürnt man und ſchlägt drein.

Laßt mir den Staat und die Staatsleute
weg, ſagte Philine, ich kann mir ſie nicht
anders als in Perücken vorſtellen, und eine
Perücke, es mag ſie aufhaben wer da will

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[237/0245] Sollte es nicht eine angenehme und würdige Arbeit für einen Staatsmann ſeyn, den na¬ türlichen, wechſelſeitigen Einfluß aller Stän¬ de zu überſchauen, und einen Dichter, der Humor genug hätte, bey ſeinen Arbeiten zu leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf dieſem Wege manche ſehr unterhaltende, zu¬ gleich nützliche und luſtige Stücke erſonnen werden. So viel ich, ſagte Laertes, überall wo ich herumgeſchwärmt bin, habe bemerken kön¬ nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen; ſelten aber zu gebieten, zu befördern und zu belohnen. Man läßt alles in der Welt gehn, bis es ſchädlich wird, dann zürnt man und ſchlägt drein. Laßt mir den Staat und die Staatsleute weg, ſagte Philine, ich kann mir ſie nicht anders als in Perücken vorſtellen, und eine Perücke, es mag ſie aufhaben wer da will

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/245>, abgerufen am 21.11.2024.