Sollte es nicht eine angenehme und würdige Arbeit für einen Staatsmann seyn, den na¬ türlichen, wechselseitigen Einfluß aller Stän¬ de zu überschauen, und einen Dichter, der Humor genug hätte, bey seinen Arbeiten zu leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf diesem Wege manche sehr unterhaltende, zu¬ gleich nützliche und lustige Stücke ersonnen werden.
So viel ich, sagte Laertes, überall wo ich herumgeschwärmt bin, habe bemerken kön¬ nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen; selten aber zu gebieten, zu befördern und zu belohnen. Man läßt alles in der Welt gehn, bis es schädlich wird, dann zürnt man und schlägt drein.
Laßt mir den Staat und die Staatsleute weg, sagte Philine, ich kann mir sie nicht anders als in Perücken vorstellen, und eine Perücke, es mag sie aufhaben wer da will
Sollte es nicht eine angenehme und würdige Arbeit für einen Staatsmann ſeyn, den na¬ türlichen, wechſelſeitigen Einfluß aller Stän¬ de zu überſchauen, und einen Dichter, der Humor genug hätte, bey ſeinen Arbeiten zu leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf dieſem Wege manche ſehr unterhaltende, zu¬ gleich nützliche und luſtige Stücke erſonnen werden.
So viel ich, ſagte Laertes, überall wo ich herumgeſchwärmt bin, habe bemerken kön¬ nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern und abzulehnen; ſelten aber zu gebieten, zu befördern und zu belohnen. Man läßt alles in der Welt gehn, bis es ſchädlich wird, dann zürnt man und ſchlägt drein.
Laßt mir den Staat und die Staatsleute weg, ſagte Philine, ich kann mir ſie nicht anders als in Perücken vorſtellen, und eine Perücke, es mag ſie aufhaben wer da will
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0245"n="237"/><p>Sollte es nicht eine angenehme und würdige<lb/>
Arbeit für einen Staatsmann ſeyn, den na¬<lb/>
türlichen, wechſelſeitigen Einfluß aller Stän¬<lb/>
de zu überſchauen, und einen Dichter, der<lb/>
Humor genug hätte, bey ſeinen Arbeiten zu<lb/>
leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf<lb/>
dieſem Wege manche ſehr unterhaltende, zu¬<lb/>
gleich nützliche und luſtige Stücke erſonnen<lb/>
werden.</p><lb/><p>So viel ich, ſagte Laertes, überall wo ich<lb/>
herumgeſchwärmt bin, habe bemerken kön¬<lb/>
nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern<lb/>
und abzulehnen; ſelten aber zu gebieten, zu<lb/>
befördern und zu belohnen. Man läßt alles<lb/>
in der Welt gehn, bis es ſchädlich wird, dann<lb/>
zürnt man und ſchlägt drein.</p><lb/><p>Laßt mir den Staat und die Staatsleute<lb/>
weg, ſagte Philine, ich kann mir ſie nicht<lb/>
anders als in Perücken vorſtellen, und eine<lb/>
Perücke, es mag ſie aufhaben wer da will<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[237/0245]
Sollte es nicht eine angenehme und würdige
Arbeit für einen Staatsmann ſeyn, den na¬
türlichen, wechſelſeitigen Einfluß aller Stän¬
de zu überſchauen, und einen Dichter, der
Humor genug hätte, bey ſeinen Arbeiten zu
leiten? Ich bin überzeugt, es könnten auf
dieſem Wege manche ſehr unterhaltende, zu¬
gleich nützliche und luſtige Stücke erſonnen
werden.
So viel ich, ſagte Laertes, überall wo ich
herumgeſchwärmt bin, habe bemerken kön¬
nen, weiß man nur zu verbieten, zu hindern
und abzulehnen; ſelten aber zu gebieten, zu
befördern und zu belohnen. Man läßt alles
in der Welt gehn, bis es ſchädlich wird, dann
zürnt man und ſchlägt drein.
Laßt mir den Staat und die Staatsleute
weg, ſagte Philine, ich kann mir ſie nicht
anders als in Perücken vorſtellen, und eine
Perücke, es mag ſie aufhaben wer da will
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/245>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.