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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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jetzt nur auf die Waffen seines Mundes re¬
duzirt sah, fing gräßlich zu drohen und zu
fluchen an, die faule unnütze Kreatur wolle
ihre Schuldigkeit nicht thun; sie verweigere
den Eiertanz zu tanzen, den er dem Publiko
versprochen habe; er wolle sie todtschlagen,
und es solle ihn niemand daran hindern.
Er suchte sich los zu machen, um das Kind,
das sich unter der Menge verkrochen hatte,
aufzusuchen. Wilhelm hielt ihn zurück, und
rief: du sollst nicht eher dieses Geschöpf we¬
der sehen noch berühren, bis du vor Gericht
Rechenschaft giebst, wo du es gestohlen hast;
ich werde dich auf's äusserste treiben, du
sollst mir nicht entgehen. Diese Rede, wel¬
che Wilhelm in der Hitze, ohne Gedanken
und Absicht, aus einem dunklen Gefühl, oder
wenn man will, aus Inspiration ausgespro¬
chen hatte, brachte den wüthenden Menschen
auf einmal zur Ruhe. Er rief: was hab'

W. Meisters Lehrj. R

jetzt nur auf die Waffen ſeines Mundes re¬
duzirt ſah, fing gräßlich zu drohen und zu
fluchen an, die faule unnütze Kreatur wolle
ihre Schuldigkeit nicht thun; ſie verweigere
den Eiertanz zu tanzen, den er dem Publiko
verſprochen habe; er wolle ſie todtſchlagen,
und es ſolle ihn niemand daran hindern.
Er ſuchte ſich los zu machen, um das Kind,
das ſich unter der Menge verkrochen hatte,
aufzuſuchen. Wilhelm hielt ihn zurück, und
rief: du ſollſt nicht eher dieſes Geſchöpf we¬
der ſehen noch berühren, bis du vor Gericht
Rechenſchaft giebſt, wo du es geſtohlen haſt;
ich werde dich auf’s äuſſerſte treiben, du
ſollſt mir nicht entgehen. Dieſe Rede, wel¬
che Wilhelm in der Hitze, ohne Gedanken
und Abſicht, aus einem dunklen Gefühl, oder
wenn man will, aus Inſpiration ausgeſpro¬
chen hatte, brachte den wüthenden Menſchen
auf einmal zur Ruhe. Er rief: was hab’

W. Meiſters Lehrj. R
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[257/0265] jetzt nur auf die Waffen ſeines Mundes re¬ duzirt ſah, fing gräßlich zu drohen und zu fluchen an, die faule unnütze Kreatur wolle ihre Schuldigkeit nicht thun; ſie verweigere den Eiertanz zu tanzen, den er dem Publiko verſprochen habe; er wolle ſie todtſchlagen, und es ſolle ihn niemand daran hindern. Er ſuchte ſich los zu machen, um das Kind, das ſich unter der Menge verkrochen hatte, aufzuſuchen. Wilhelm hielt ihn zurück, und rief: du ſollſt nicht eher dieſes Geſchöpf we¬ der ſehen noch berühren, bis du vor Gericht Rechenſchaft giebſt, wo du es geſtohlen haſt; ich werde dich auf’s äuſſerſte treiben, du ſollſt mir nicht entgehen. Dieſe Rede, wel¬ che Wilhelm in der Hitze, ohne Gedanken und Abſicht, aus einem dunklen Gefühl, oder wenn man will, aus Inſpiration ausgeſpro¬ chen hatte, brachte den wüthenden Menſchen auf einmal zur Ruhe. Er rief: was hab’ W. Meiſters Lehrj. R

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/265>, abgerufen am 22.11.2024.