dert. Dieser spielte gewöhnlich die gutmü¬ thigen, polternden Alten, wovon das deut¬ sche Theater nicht leer wird, und die man auch im gemeinen Leben nicht selten antrift. Denn da es der Character unsrer Landsleute ist, das Gute ohne viel Prunk zu thun und zu leisten; so denken sie selten daran, daß es auch eine Art gebe, das Rechte mit Zier¬ lichkeit und Anmuth zu thun, und verfallen vielmehr, von einem Geiste des Widerspruchs getrieben, leicht in den Fehler, durch ein mürrisches Wesen, ihre liebste Tugend im Contraste darzustellen.
Solche Rollen spielte unser Schauspieler sehr gut, und er spielte sie so oft und aus¬ schließlich, daß er darüber eine ähnliche Art sich zu betragen im gemeinen Leben ange¬ nommen hatte.
Wilhelm gerieth in große Bewegung, so¬ bald er ihn erkannte, denn er erinnerte sich,
dert. Dieſer ſpielte gewöhnlich die gutmü¬ thigen, polternden Alten, wovon das deut¬ ſche Theater nicht leer wird, und die man auch im gemeinen Leben nicht ſelten antrift. Denn da es der Character unſrer Landsleute iſt, das Gute ohne viel Prunk zu thun und zu leiſten; ſo denken ſie ſelten daran, daß es auch eine Art gebe, das Rechte mit Zier¬ lichkeit und Anmuth zu thun, und verfallen vielmehr, von einem Geiſte des Widerſpruchs getrieben, leicht in den Fehler, durch ein mürriſches Weſen, ihre liebſte Tugend im Contraſte darzuſtellen.
Solche Rollen ſpielte unſer Schauſpieler ſehr gut, und er ſpielte ſie ſo oft und aus¬ ſchließlich, daß er darüber eine ähnliche Art ſich zu betragen im gemeinen Leben ange¬ nommen hatte.
Wilhelm gerieth in große Bewegung, ſo¬ bald er ihn erkannte, denn er erinnerte ſich,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0287"n="279"/>
dert. Dieſer ſpielte gewöhnlich die gutmü¬<lb/>
thigen, polternden Alten, wovon das deut¬<lb/>ſche Theater nicht leer wird, und die man<lb/>
auch im gemeinen Leben nicht ſelten antrift.<lb/>
Denn da es der Character unſrer Landsleute<lb/>
iſt, das Gute ohne viel Prunk zu thun und<lb/>
zu leiſten; ſo denken ſie ſelten daran, daß<lb/>
es auch eine Art gebe, das Rechte mit Zier¬<lb/>
lichkeit und Anmuth zu thun, und verfallen<lb/>
vielmehr, von einem Geiſte des Widerſpruchs<lb/>
getrieben, leicht in den Fehler, durch ein<lb/>
mürriſches Weſen, ihre liebſte Tugend im<lb/>
Contraſte darzuſtellen.</p><lb/><p>Solche Rollen ſpielte unſer Schauſpieler<lb/>ſehr gut, und er ſpielte ſie ſo oft und aus¬<lb/>ſchließlich, daß er darüber eine ähnliche Art<lb/>ſich zu betragen im gemeinen Leben ange¬<lb/>
nommen hatte.</p><lb/><p>Wilhelm gerieth in große Bewegung, ſo¬<lb/>
bald er ihn erkannte, denn er erinnerte ſich,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[279/0287]
dert. Dieſer ſpielte gewöhnlich die gutmü¬
thigen, polternden Alten, wovon das deut¬
ſche Theater nicht leer wird, und die man
auch im gemeinen Leben nicht ſelten antrift.
Denn da es der Character unſrer Landsleute
iſt, das Gute ohne viel Prunk zu thun und
zu leiſten; ſo denken ſie ſelten daran, daß
es auch eine Art gebe, das Rechte mit Zier¬
lichkeit und Anmuth zu thun, und verfallen
vielmehr, von einem Geiſte des Widerſpruchs
getrieben, leicht in den Fehler, durch ein
mürriſches Weſen, ihre liebſte Tugend im
Contraſte darzuſtellen.
Solche Rollen ſpielte unſer Schauſpieler
ſehr gut, und er ſpielte ſie ſo oft und aus¬
ſchließlich, daß er darüber eine ähnliche Art
ſich zu betragen im gemeinen Leben ange¬
nommen hatte.
Wilhelm gerieth in große Bewegung, ſo¬
bald er ihn erkannte, denn er erinnerte ſich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.