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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Vergebens suchte er sie abzuweisen, ihr
begreiflich zu machen, daß er länger weder
bleiben könne noch dürfe. Sie ließ mit Bit¬
ten nicht ab, ja unvermuthet schlang sie ihren
Arm um seinen Hals, und küßte ihn mit
dem lebhaftesten Ausdrucke des Verlangens.

Sind Sie toll, Philine? rief Wilhelm
aus, indem er sich loszumachen suchte. Die
öffentliche Straße zum Zeugen solcher Lieb¬
kosungen zu machen, die ich auf keine Weise
verdiene. Lassen Sie mich los, ich kann
nicht und ich werde nicht bleiben.

Und ich werde dich fest halten, sagte sie,
und ich werde dich hier auf öffentlicher Gasse
so lange küssen, bis du mir versprichst, was
ich wünsche. Ich lache mich zu Tode, fuhr
sie fort; nach dieser Vertraulichkeit halten
mich die Leute gewiß für deine Frau von
vier Wochen, und die Ehemänner, die eine
so anmuthige Scene sehen, werden mich ihren

W. Meisters Lehrj. Y

Vergebens ſuchte er ſie abzuweiſen, ihr
begreiflich zu machen, daß er länger weder
bleiben könne noch dürfe. Sie ließ mit Bit¬
ten nicht ab, ja unvermuthet ſchlang ſie ihren
Arm um ſeinen Hals, und küßte ihn mit
dem lebhafteſten Ausdrucke des Verlangens.

Sind Sie toll, Philine? rief Wilhelm
aus, indem er ſich loszumachen ſuchte. Die
öffentliche Straße zum Zeugen ſolcher Lieb¬
koſungen zu machen, die ich auf keine Weiſe
verdiene. Laſſen Sie mich los, ich kann
nicht und ich werde nicht bleiben.

Und ich werde dich feſt halten, ſagte ſie,
und ich werde dich hier auf öffentlicher Gaſſe
ſo lange küſſen, bis du mir verſprichſt, was
ich wünſche. Ich lache mich zu Tode, fuhr
ſie fort; nach dieſer Vertraulichkeit halten
mich die Leute gewiß für deine Frau von
vier Wochen, und die Ehemänner, die eine
ſo anmuthige Scene ſehen, werden mich ihren

W. Meiſters Lehrj. Y
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[337/0345] Vergebens ſuchte er ſie abzuweiſen, ihr begreiflich zu machen, daß er länger weder bleiben könne noch dürfe. Sie ließ mit Bit¬ ten nicht ab, ja unvermuthet ſchlang ſie ihren Arm um ſeinen Hals, und küßte ihn mit dem lebhafteſten Ausdrucke des Verlangens. Sind Sie toll, Philine? rief Wilhelm aus, indem er ſich loszumachen ſuchte. Die öffentliche Straße zum Zeugen ſolcher Lieb¬ koſungen zu machen, die ich auf keine Weiſe verdiene. Laſſen Sie mich los, ich kann nicht und ich werde nicht bleiben. Und ich werde dich feſt halten, ſagte ſie, und ich werde dich hier auf öffentlicher Gaſſe ſo lange küſſen, bis du mir verſprichſt, was ich wünſche. Ich lache mich zu Tode, fuhr ſie fort; nach dieſer Vertraulichkeit halten mich die Leute gewiß für deine Frau von vier Wochen, und die Ehemänner, die eine ſo anmuthige Scene ſehen, werden mich ihren W. Meiſters Lehrj. Y

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/345>, abgerufen am 24.11.2024.