Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreyzehntes Capitel.

In der verdrießlichen Unruhe, in der er sich
befand, fiel ihm ein, den Alten aufzusuchen,
durch dessen Harfe er die bösen Geister zu
verscheuchen hofte. Man wies ihn, als er
nach dem Manne fragte, an ein schlechtes
Wirthshaus in einem entfernten Winkel des
Städtchens, und in demselben die Treppe
hinauf bis auf den Boden, wo ihm der süße
Harfenklang aus einer Kammer entgegen
schallte. Es waren herzrührende, klagende
Töne, von einem traurigen, ängstlichen Ge¬
sange begleitet. Wilhelm schlich an die Thü¬
re, und da der gute Alte eine Art von Phan¬
tasie vortrug, und wenige Strophen theils
singend theils recitirend immer wiederholte,
konnte der Horcher, nach einer kurzen

Dreyzehntes Capitel.

In der verdrießlichen Unruhe, in der er ſich
befand, fiel ihm ein, den Alten aufzuſuchen,
durch deſſen Harfe er die böſen Geiſter zu
verſcheuchen hofte. Man wies ihn, als er
nach dem Manne fragte, an ein ſchlechtes
Wirthshaus in einem entfernten Winkel des
Städtchens, und in demſelben die Treppe
hinauf bis auf den Boden, wo ihm der ſüße
Harfenklang aus einer Kammer entgegen
ſchallte. Es waren herzrührende, klagende
Töne, von einem traurigen, ängſtlichen Ge¬
ſange begleitet. Wilhelm ſchlich an die Thü¬
re, und da der gute Alte eine Art von Phan¬
taſie vortrug, und wenige Strophen theils
ſingend theils recitirend immer wiederholte,
konnte der Horcher, nach einer kurzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0353" n="345"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">Dreyzehntes Capitel.</hi><lb/>
            </head>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p><hi rendition="#in">I</hi>n der verdrießlichen Unruhe, in der er &#x017F;ich<lb/>
befand, fiel ihm ein, den Alten aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
durch de&#x017F;&#x017F;en Harfe er die bö&#x017F;en Gei&#x017F;ter zu<lb/>
ver&#x017F;cheuchen hofte. Man wies ihn, als er<lb/>
nach dem Manne fragte, an ein &#x017F;chlechtes<lb/>
Wirthshaus in einem entfernten Winkel des<lb/>
Städtchens, und in dem&#x017F;elben die Treppe<lb/>
hinauf bis auf den Boden, wo ihm der &#x017F;üße<lb/>
Harfenklang aus einer Kammer entgegen<lb/>
&#x017F;challte. Es waren herzrührende, klagende<lb/>
Töne, von einem traurigen, äng&#x017F;tlichen Ge¬<lb/>
&#x017F;ange begleitet. Wilhelm &#x017F;chlich an die Thü¬<lb/>
re, und da der gute Alte eine Art von Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie vortrug, und wenige Strophen theils<lb/>
&#x017F;ingend theils recitirend immer wiederholte,<lb/>
konnte der Horcher, nach einer kurzen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0353] Dreyzehntes Capitel. In der verdrießlichen Unruhe, in der er ſich befand, fiel ihm ein, den Alten aufzuſuchen, durch deſſen Harfe er die böſen Geiſter zu verſcheuchen hofte. Man wies ihn, als er nach dem Manne fragte, an ein ſchlechtes Wirthshaus in einem entfernten Winkel des Städtchens, und in demſelben die Treppe hinauf bis auf den Boden, wo ihm der ſüße Harfenklang aus einer Kammer entgegen ſchallte. Es waren herzrührende, klagende Töne, von einem traurigen, ängſtlichen Ge¬ ſange begleitet. Wilhelm ſchlich an die Thü¬ re, und da der gute Alte eine Art von Phan¬ taſie vortrug, und wenige Strophen theils ſingend theils recitirend immer wiederholte, konnte der Horcher, nach einer kurzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/353
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/353>, abgerufen am 22.11.2024.