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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Es ist ein schöner Mann, sagte Philine.
Doch sollte wohl niemals, fuhr sie fort, in¬
dem sie die Hand auf das Herz der Gräfin
legte, in diese verborgene Kapsel sich ein an¬
der Bild eingeschlichen haben?

Du bist sehr verwegen, Philine! rief sie
aus: ich habe dich verzogen. Laß mich so
etwas nicht zum zweytenmal hören.

Wenn Sie zürnen, bin ich unglücklich,
rief Philine, sprang auf und eilte zur Thüre
hinaus.

Wilhelm hielt die schönste Hand noch in
seinen Händen. Er sah unverwandt auf das
Armschloß, das, zu seiner größten Verwun¬
derung, die Anfangsbuchstaben seiner Nah¬
men in brillantenen Zügen sehen ließ.

Besitz ich, fragte er bescheiden, in dem
kostbaren Ringe, denn wirklich Ihre Haare?

Ja, versetzte sie mit halber Stimme; dann
nahm sie sich zusammen, und sagte, indem

Es iſt ein ſchöner Mann, ſagte Philine.
Doch ſollte wohl niemals, fuhr ſie fort, in¬
dem ſie die Hand auf das Herz der Gräfin
legte, in dieſe verborgene Kapſel ſich ein an¬
der Bild eingeſchlichen haben?

Du biſt ſehr verwegen, Philine! rief ſie
aus: ich habe dich verzogen. Laß mich ſo
etwas nicht zum zweytenmal hören.

Wenn Sie zürnen, bin ich unglücklich,
rief Philine, ſprang auf und eilte zur Thüre
hinaus.

Wilhelm hielt die ſchönſte Hand noch in
ſeinen Händen. Er ſah unverwandt auf das
Armſchloß, das, zu ſeiner größten Verwun¬
derung, die Anfangsbuchſtaben ſeiner Nah¬
men in brillantenen Zügen ſehen ließ.

Beſitz ich, fragte er beſcheiden, in dem
koſtbaren Ringe, denn wirklich Ihre Haare?

Ja, verſetzte ſie mit halber Stimme; dann
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[156/0164] Es iſt ein ſchöner Mann, ſagte Philine. Doch ſollte wohl niemals, fuhr ſie fort, in¬ dem ſie die Hand auf das Herz der Gräfin legte, in dieſe verborgene Kapſel ſich ein an¬ der Bild eingeſchlichen haben? Du biſt ſehr verwegen, Philine! rief ſie aus: ich habe dich verzogen. Laß mich ſo etwas nicht zum zweytenmal hören. Wenn Sie zürnen, bin ich unglücklich, rief Philine, ſprang auf und eilte zur Thüre hinaus. Wilhelm hielt die ſchönſte Hand noch in ſeinen Händen. Er ſah unverwandt auf das Armſchloß, das, zu ſeiner größten Verwun¬ derung, die Anfangsbuchſtaben ſeiner Nah¬ men in brillantenen Zügen ſehen ließ. Beſitz ich, fragte er beſcheiden, in dem koſtbaren Ringe, denn wirklich Ihre Haare? Ja, verſetzte ſie mit halber Stimme; dann nahm ſie ſich zuſammen, und ſagte, indem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/164>, abgerufen am 21.11.2024.