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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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so wie mir's recht ist. Aurelie hat einen un¬
glücklichen Liebeshandel mit einem Edelman¬
ne gehabt, der ein prächtiger Mensch seyn
muß, und den ich selbst wohl einmal sehen
möchte. Er hat ihr ein Andenken hinterlas¬
sen, oder ich müßte mich sehr irren. Es
läuft da ein Knabe herum, ohngefähr von
drey Jahren, schön wie die Sonne; der
Papa mag allerliebst seyn, ich kann sonst die
Kinder nicht leiden, aber dieser Junge freut
mich. Ich habe ihr nachgerechnet. Der Tod
ihres Mannes, die neue Bekanntschaft, das
Alter des Kindes, alles trift zusammen.

Nun ist der Freund seiner Wege gegan¬
gen; seit einem Jahre sieht er sie nicht mehr.
Sie ist darüber ausser sich und untröstlich.
Die Närrin! -- Der Bruder hat unter der
Truppe eine Tänzerin, mit der er schön thut,
ein Aktrischen, mit der er vertraut ist, in der
Stadt noch einige Frauen, denen er aufwar¬

ſo wie mir’s recht iſt. Aurelie hat einen un¬
glücklichen Liebeshandel mit einem Edelman¬
ne gehabt, der ein prächtiger Menſch ſeyn
muß, und den ich ſelbſt wohl einmal ſehen
möchte. Er hat ihr ein Andenken hinterlaſ¬
ſen, oder ich müßte mich ſehr irren. Es
läuft da ein Knabe herum, ohngefähr von
drey Jahren, ſchön wie die Sonne; der
Papa mag allerliebſt ſeyn, ich kann ſonſt die
Kinder nicht leiden, aber dieſer Junge freut
mich. Ich habe ihr nachgerechnet. Der Tod
ihres Mannes, die neue Bekanntſchaft, das
Alter des Kindes, alles trift zuſammen.

Nun iſt der Freund ſeiner Wege gegan¬
gen; ſeit einem Jahre ſieht er ſie nicht mehr.
Sie iſt darüber auſſer ſich und untröſtlich.
Die Närrin! — Der Bruder hat unter der
Truppe eine Tänzerin, mit der er ſchön thut,
ein Aktrischen, mit der er vertraut iſt, in der
Stadt noch einige Frauen, denen er aufwar¬

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[287/0296] ſo wie mir’s recht iſt. Aurelie hat einen un¬ glücklichen Liebeshandel mit einem Edelman¬ ne gehabt, der ein prächtiger Menſch ſeyn muß, und den ich ſelbſt wohl einmal ſehen möchte. Er hat ihr ein Andenken hinterlaſ¬ ſen, oder ich müßte mich ſehr irren. Es läuft da ein Knabe herum, ohngefähr von drey Jahren, ſchön wie die Sonne; der Papa mag allerliebſt ſeyn, ich kann ſonſt die Kinder nicht leiden, aber dieſer Junge freut mich. Ich habe ihr nachgerechnet. Der Tod ihres Mannes, die neue Bekanntſchaft, das Alter des Kindes, alles trift zuſammen. Nun iſt der Freund ſeiner Wege gegan¬ gen; ſeit einem Jahre ſieht er ſie nicht mehr. Sie iſt darüber auſſer ſich und untröſtlich. Die Närrin! — Der Bruder hat unter der Truppe eine Tänzerin, mit der er ſchön thut, ein Aktrischen, mit der er vertraut iſt, in der Stadt noch einige Frauen, denen er aufwar¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/296>, abgerufen am 22.11.2024.