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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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den, denen er, wie er nun merkte, nicht die
mindeste Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

In dieser Verlegenheit kamen die Kennt¬
nisse seines Freundes Laertes ihm gut zu
statten. Die Gewohnheit hatte beide junge
Leute, so unähnlich sie sich waren, zusammen
verbunden, und jener war bey allen seinen
Fehlern, mit seinen Sonderbarkeiten wirklich
ein interessanter Mensch. Mit einer heitern
glücklichen Sinnlichkeit begabt, hätte er alt
werden können, ohne über seinen Zustand ir¬
gend nachzudenken. Nun hatte ihm aber
sein Unglück und seine Krankheit das reine
Gefühl der Jugend geraubt, und ihm dage¬
gen einen Blick auf die Vergänglichkeit, auf
das Zerstückelte unsers Daseyns eröffnet.
Daraus war eine launigte, rhapsodische Art
über die Gegenstände zu denken, oder viel¬
mehr ihre unmittelbaren Eindrücke zu äussern,
entstanden. Er war nicht gern allein, trieb

sich

den, denen er, wie er nun merkte, nicht die
mindeſte Aufmerkſamkeit geſchenkt hatte.

In dieſer Verlegenheit kamen die Kennt¬
niſſe ſeines Freundes Laertes ihm gut zu
ſtatten. Die Gewohnheit hatte beide junge
Leute, ſo unähnlich ſie ſich waren, zuſammen
verbunden, und jener war bey allen ſeinen
Fehlern, mit ſeinen Sonderbarkeiten wirklich
ein intereſſanter Menſch. Mit einer heitern
glücklichen Sinnlichkeit begabt, hätte er alt
werden können, ohne über ſeinen Zuſtand ir¬
gend nachzudenken. Nun hatte ihm aber
ſein Unglück und ſeine Krankheit das reine
Gefühl der Jugend geraubt, und ihm dage¬
gen einen Blick auf die Vergänglichkeit, auf
das Zerſtückelte unſers Daſeyns eröffnet.
Daraus war eine launigte, rhapſodiſche Art
über die Gegenſtände zu denken, oder viel¬
mehr ihre unmittelbaren Eindrücke zu äuſſern,
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[336/0345] den, denen er, wie er nun merkte, nicht die mindeſte Aufmerkſamkeit geſchenkt hatte. In dieſer Verlegenheit kamen die Kennt¬ niſſe ſeines Freundes Laertes ihm gut zu ſtatten. Die Gewohnheit hatte beide junge Leute, ſo unähnlich ſie ſich waren, zuſammen verbunden, und jener war bey allen ſeinen Fehlern, mit ſeinen Sonderbarkeiten wirklich ein intereſſanter Menſch. Mit einer heitern glücklichen Sinnlichkeit begabt, hätte er alt werden können, ohne über ſeinen Zuſtand ir¬ gend nachzudenken. Nun hatte ihm aber ſein Unglück und ſeine Krankheit das reine Gefühl der Jugend geraubt, und ihm dage¬ gen einen Blick auf die Vergänglichkeit, auf das Zerſtückelte unſers Daſeyns eröffnet. Daraus war eine launigte, rhapſodiſche Art über die Gegenſtände zu denken, oder viel¬ mehr ihre unmittelbaren Eindrücke zu äuſſern, entſtanden. Er war nicht gern allein, trieb ſich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/345>, abgerufen am 24.11.2024.