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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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sich auf allen Kaffeehäusern, an allen Wirths¬
tischen herum, und wenn er ja zu Hause
blieb, waren Reisebeschreibungen seine liebste,
ja seine einzige Lektüre. Diese konnte er
nun, da er eine große Leihbibliothek fand,
nach Wunsch befriedigen, und bald spukte die
halbe Welt in seinem guten Gedächtnisse.

Wie leicht konnte er daher seinem Freun¬
de Muth einsprechen, als dieser ihm den völ¬
ligen Mangel an Vorrath zu der von ihm
so feyerlich versprochenen Relation entdeckte.
Da wollen wir ein Kunststück machen, sagte
jener, das seines gleichen nicht haben soll.
Ist nicht Deutschland von einem Ende zum
andern durchreist, durchkreuzt, durchzogen,
durchkrochen und durchflogen? und hat nicht
jeder deutsche Reisende den herrlichen Vor¬
theil, sich seine großen oder kleinen Ausga¬
ben vom Publikum wieder erstatten zu las¬
sen? Gieb mir nur deine Reiseroute, ehe du

W. Meisters Lehrj. 2. Y

ſich auf allen Kaffeehäuſern, an allen Wirths¬
tiſchen herum, und wenn er ja zu Hauſe
blieb, waren Reiſebeſchreibungen ſeine liebſte,
ja ſeine einzige Lektüre. Dieſe konnte er
nun, da er eine große Leihbibliothek fand,
nach Wunſch befriedigen, und bald ſpukte die
halbe Welt in ſeinem guten Gedächtniſſe.

Wie leicht konnte er daher ſeinem Freun¬
de Muth einſprechen, als dieſer ihm den völ¬
ligen Mangel an Vorrath zu der von ihm
ſo feyerlich verſprochenen Relation entdeckte.
Da wollen wir ein Kunſtſtück machen, ſagte
jener, das ſeines gleichen nicht haben ſoll.
Iſt nicht Deutſchland von einem Ende zum
andern durchreiſt, durchkreuzt, durchzogen,
durchkrochen und durchflogen? und hat nicht
jeder deutſche Reiſende den herrlichen Vor¬
theil, ſich ſeine großen oder kleinen Ausga¬
ben vom Publikum wieder erſtatten zu laſ¬
ſen? Gieb mir nur deine Reiſeroute, ehe du

W. Meiſters Lehrj. 2. Y
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[337/0346] ſich auf allen Kaffeehäuſern, an allen Wirths¬ tiſchen herum, und wenn er ja zu Hauſe blieb, waren Reiſebeſchreibungen ſeine liebſte, ja ſeine einzige Lektüre. Dieſe konnte er nun, da er eine große Leihbibliothek fand, nach Wunſch befriedigen, und bald ſpukte die halbe Welt in ſeinem guten Gedächtniſſe. Wie leicht konnte er daher ſeinem Freun¬ de Muth einſprechen, als dieſer ihm den völ¬ ligen Mangel an Vorrath zu der von ihm ſo feyerlich verſprochenen Relation entdeckte. Da wollen wir ein Kunſtſtück machen, ſagte jener, das ſeines gleichen nicht haben ſoll. Iſt nicht Deutſchland von einem Ende zum andern durchreiſt, durchkreuzt, durchzogen, durchkrochen und durchflogen? und hat nicht jeder deutſche Reiſende den herrlichen Vor¬ theil, ſich ſeine großen oder kleinen Ausga¬ ben vom Publikum wieder erſtatten zu laſ¬ ſen? Gieb mir nur deine Reiſeroute, ehe du W. Meiſters Lehrj. 2. Y

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/346>, abgerufen am 24.11.2024.