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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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aber oft an Geist gebricht; er konnte mit
seinen Masken nichts mehr ausrichten; er
mußte suchen auf Herz und Gemüth zu wir¬
ken. Nur kurze Zeit hielt er sich bey klei¬
nen und großen Gesellschaften auf, und merk¬
te, bey dieser Gelegenheit, sämmtlichen Stük¬
ken und Schauspielern ihre Eigenheiten ab, die
Monotonie, die damals auf dem deutschen
Theater herrschte; den albernen Fall und
Klang der Alexandriner, den geschraubtplatten
Dialog; die Trockenheit und Gemeinheit der
unmittelbaren Sittenprediger hatte er bald
gefaßt, und zugleich bemerkt, was rührte und
gefiel.

Nicht Eine Rolle der gangbaren Stücke,
sondern die ganzen Stücke blieben leicht in
seinem Gedächtniß, und zugleich der eigen¬
thümliche Ton des Schauspielers, der sie mit
Beyfall vorgetragen hatte. Nun kam er zu¬
fälligerweise auf seinen Streifereyen, da ihm

aber oft an Geiſt gebricht; er konnte mit
ſeinen Masken nichts mehr ausrichten; er
mußte ſuchen auf Herz und Gemüth zu wir¬
ken. Nur kurze Zeit hielt er ſich bey klei¬
nen und großen Geſellſchaften auf, und merk¬
te, bey dieſer Gelegenheit, ſämmtlichen Stük¬
ken und Schauſpielern ihre Eigenheiten ab, die
Monotonie, die damals auf dem deutſchen
Theater herrſchte; den albernen Fall und
Klang der Alexandriner, den geſchraubtplatten
Dialog; die Trockenheit und Gemeinheit der
unmittelbaren Sittenprediger hatte er bald
gefaßt, und zugleich bemerkt, was rührte und
gefiel.

Nicht Eine Rolle der gangbaren Stücke,
ſondern die ganzen Stücke blieben leicht in
ſeinem Gedächtniß, und zugleich der eigen¬
thümliche Ton des Schauſpielers, der ſie mit
Beyfall vorgetragen hatte. Nun kam er zu¬
fälligerweiſe auf ſeinen Streifereyen, da ihm

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[348/0357] aber oft an Geiſt gebricht; er konnte mit ſeinen Masken nichts mehr ausrichten; er mußte ſuchen auf Herz und Gemüth zu wir¬ ken. Nur kurze Zeit hielt er ſich bey klei¬ nen und großen Geſellſchaften auf, und merk¬ te, bey dieſer Gelegenheit, ſämmtlichen Stük¬ ken und Schauſpielern ihre Eigenheiten ab, die Monotonie, die damals auf dem deutſchen Theater herrſchte; den albernen Fall und Klang der Alexandriner, den geſchraubtplatten Dialog; die Trockenheit und Gemeinheit der unmittelbaren Sittenprediger hatte er bald gefaßt, und zugleich bemerkt, was rührte und gefiel. Nicht Eine Rolle der gangbaren Stücke, ſondern die ganzen Stücke blieben leicht in ſeinem Gedächtniß, und zugleich der eigen¬ thümliche Ton des Schauſpielers, der ſie mit Beyfall vorgetragen hatte. Nun kam er zu¬ fälligerweiſe auf ſeinen Streifereyen, da ihm

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/357>, abgerufen am 21.11.2024.