Anlässe stark genug; es scheint dir unmöglich dich zu entscheiden, du wünschest, daß irgend ein Übergewicht von Aussen deine Wahl be¬ stimmen möge, und doch, wenn du dich recht untersuchst, so sind es nur äussere Umstände, die dir eine Neigung zu Gewerb, Erwerb und Besitz einflößen, aber dein innerstes Be¬ dürfniß erzeugt und nährt den Wunsch, die Anlagen, die in dir zum Guten und Schö¬ nen ruhen mögen, sie seyen körperlich oder geistig, immer mehr zu entwickeln und aus¬ zubilden. Und muß ich nicht das Schicksal verehren, das mich ohne mein Zuthun hier¬ her an das Ziel aller meiner Wünsche führt? Geschieht nicht alles, was ich mir ehemals ausgedacht und vorgesetzt, nun zufällig ohne mein Mitwirken? Sonderbar genug! Der Mensch scheint mit nichts vertrauter zu seyn, als mit seinen Hoffnungen und Wünschen, die er lange im Herzen nährt und bewahrt,
Anläſſe ſtark genug; es ſcheint dir unmöglich dich zu entſcheiden, du wünſcheſt, daß irgend ein Übergewicht von Auſſen deine Wahl be¬ ſtimmen möge, und doch, wenn du dich recht unterſuchſt, ſo ſind es nur äuſſere Umſtände, die dir eine Neigung zu Gewerb, Erwerb und Beſitz einflößen, aber dein innerſtes Be¬ dürfniß erzeugt und nährt den Wunſch, die Anlagen, die in dir zum Guten und Schö¬ nen ruhen mögen, ſie ſeyen körperlich oder geiſtig, immer mehr zu entwickeln und aus¬ zubilden. Und muß ich nicht das Schickſal verehren, das mich ohne mein Zuthun hier¬ her an das Ziel aller meiner Wünſche führt? Geſchieht nicht alles, was ich mir ehemals ausgedacht und vorgeſetzt, nun zufällig ohne mein Mitwirken? Sonderbar genug! Der Menſch ſcheint mit nichts vertrauter zu ſeyn, als mit ſeinen Hoffnungen und Wünſchen, die er lange im Herzen nährt und bewahrt,
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Anläſſe ſtark genug; es ſcheint dir unmöglich
dich zu entſcheiden, du wünſcheſt, daß irgend
ein Übergewicht von Auſſen deine Wahl be¬
ſtimmen möge, und doch, wenn du dich recht
unterſuchſt, ſo ſind es nur äuſſere Umſtände,
die dir eine Neigung zu Gewerb, Erwerb
und Beſitz einflößen, aber dein innerſtes Be¬
dürfniß erzeugt und nährt den Wunſch, die
Anlagen, die in dir zum Guten und Schö¬
nen ruhen mögen, ſie ſeyen körperlich oder
geiſtig, immer mehr zu entwickeln und aus¬
zubilden. Und muß ich nicht das Schickſal
verehren, das mich ohne mein Zuthun hier¬
her an das Ziel aller meiner Wünſche führt?
Geſchieht nicht alles, was ich mir ehemals
ausgedacht und vorgeſetzt, nun zufällig ohne
mein Mitwirken? Sonderbar genug! Der
Menſch ſcheint mit nichts vertrauter zu ſeyn,
als mit ſeinen Hoffnungen und Wünſchen,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/371>, abgerufen am 21.11.2024.
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