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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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wird, keine Faser, die ich nicht peinigen will.
Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den
theatralischen Aufwand von Leidenschaft.

Fern war von unserm Freunde jede An¬
wandlung des Lachens. Der entsetzliche, halb
natürliche, halb erzwungene Zustand seiner
Freundin peinigte ihn nur zu sehr. Er em¬
pfand die Foltern der unglücklichen Anspan¬
nung mit; sein Gehirn zerrüttete sich, und
sein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬
gung.

Sie war aufgestanden, und ging in der
Stube hin und wieder. Ich sage mir alles
vor, rief sie aus, warum ich ihn nicht lieben
sollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth
ist; ich wende mein Gemüth ab, dahin und
dorthin, beschäftige mich, wie es nur gehen
will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn
ich sie auch nicht zu spielen habe, ich übe die
alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬

W. Meisters Lehrj. 2. A a

wird, keine Faſer, die ich nicht peinigen will.
Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den
theatraliſchen Aufwand von Leidenſchaft.

Fern war von unſerm Freunde jede An¬
wandlung des Lachens. Der entſetzliche, halb
natürliche, halb erzwungene Zuſtand ſeiner
Freundin peinigte ihn nur zu ſehr. Er em¬
pfand die Foltern der unglücklichen Anſpan¬
nung mit; ſein Gehirn zerrüttete ſich, und
ſein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬
gung.

Sie war aufgeſtanden, und ging in der
Stube hin und wieder. Ich ſage mir alles
vor, rief ſie aus, warum ich ihn nicht lieben
ſollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth
iſt; ich wende mein Gemüth ab, dahin und
dorthin, beſchäftige mich, wie es nur gehen
will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn
ich ſie auch nicht zu ſpielen habe, ich übe die
alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬

W. Meiſters Lehrj. 2. A a
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[369/0378] wird, keine Faſer, die ich nicht peinigen will. Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den theatraliſchen Aufwand von Leidenſchaft. Fern war von unſerm Freunde jede An¬ wandlung des Lachens. Der entſetzliche, halb natürliche, halb erzwungene Zuſtand ſeiner Freundin peinigte ihn nur zu ſehr. Er em¬ pfand die Foltern der unglücklichen Anſpan¬ nung mit; ſein Gehirn zerrüttete ſich, und ſein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬ gung. Sie war aufgeſtanden, und ging in der Stube hin und wieder. Ich ſage mir alles vor, rief ſie aus, warum ich ihn nicht lieben ſollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth iſt; ich wende mein Gemüth ab, dahin und dorthin, beſchäftige mich, wie es nur gehen will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn ich ſie auch nicht zu ſpielen habe, ich übe die alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬ W. Meiſters Lehrj. 2. A a

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/378>, abgerufen am 21.11.2024.