wird, keine Faser, die ich nicht peinigen will. Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den theatralischen Aufwand von Leidenschaft.
Fern war von unserm Freunde jede An¬ wandlung des Lachens. Der entsetzliche, halb natürliche, halb erzwungene Zustand seiner Freundin peinigte ihn nur zu sehr. Er em¬ pfand die Foltern der unglücklichen Anspan¬ nung mit; sein Gehirn zerrüttete sich, und sein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬ gung.
Sie war aufgestanden, und ging in der Stube hin und wieder. Ich sage mir alles vor, rief sie aus, warum ich ihn nicht lieben sollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth ist; ich wende mein Gemüth ab, dahin und dorthin, beschäftige mich, wie es nur gehen will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn ich sie auch nicht zu spielen habe, ich übe die alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬
W. Meisters Lehrj. 2. A a
wird, keine Faſer, die ich nicht peinigen will. Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den theatraliſchen Aufwand von Leidenſchaft.
Fern war von unſerm Freunde jede An¬ wandlung des Lachens. Der entſetzliche, halb natürliche, halb erzwungene Zuſtand ſeiner Freundin peinigte ihn nur zu ſehr. Er em¬ pfand die Foltern der unglücklichen Anſpan¬ nung mit; ſein Gehirn zerrüttete ſich, und ſein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬ gung.
Sie war aufgeſtanden, und ging in der Stube hin und wieder. Ich ſage mir alles vor, rief ſie aus, warum ich ihn nicht lieben ſollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth iſt; ich wende mein Gemüth ab, dahin und dorthin, beſchäftige mich, wie es nur gehen will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn ich ſie auch nicht zu ſpielen habe, ich übe die alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬
W. Meiſters Lehrj. 2. A a
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0378"n="369"/>
wird, keine Faſer, die ich nicht peinigen will.<lb/>
Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den<lb/>
theatraliſchen Aufwand von Leidenſchaft.</p><lb/><p>Fern war von unſerm Freunde jede An¬<lb/>
wandlung des Lachens. Der entſetzliche, halb<lb/>
natürliche, halb erzwungene Zuſtand ſeiner<lb/>
Freundin peinigte ihn nur zu ſehr. Er em¬<lb/>
pfand die Foltern der unglücklichen Anſpan¬<lb/>
nung mit; ſein Gehirn zerrüttete ſich, und<lb/>ſein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬<lb/>
gung.</p><lb/><p>Sie war aufgeſtanden, und ging in der<lb/>
Stube hin und wieder. Ich ſage mir alles<lb/>
vor, rief ſie aus, warum ich ihn nicht lieben<lb/>ſollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth<lb/>
iſt; ich wende mein Gemüth ab, dahin und<lb/>
dorthin, beſchäftige mich, wie es nur gehen<lb/>
will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn<lb/>
ich ſie auch nicht zu ſpielen habe, ich übe die<lb/>
alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">W. Meiſters Lehrj. 2. A a<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[369/0378]
wird, keine Faſer, die ich nicht peinigen will.
Lächeln Sie nur, lachen Sie nur über den
theatraliſchen Aufwand von Leidenſchaft.
Fern war von unſerm Freunde jede An¬
wandlung des Lachens. Der entſetzliche, halb
natürliche, halb erzwungene Zuſtand ſeiner
Freundin peinigte ihn nur zu ſehr. Er em¬
pfand die Foltern der unglücklichen Anſpan¬
nung mit; ſein Gehirn zerrüttete ſich, und
ſein Blut war in einer fieberhaften Bewe¬
gung.
Sie war aufgeſtanden, und ging in der
Stube hin und wieder. Ich ſage mir alles
vor, rief ſie aus, warum ich ihn nicht lieben
ſollte. Ich weiß auch, daß er es nicht werth
iſt; ich wende mein Gemüth ab, dahin und
dorthin, beſchäftige mich, wie es nur gehen
will. Bald nehm ich eine Rolle vor, wenn
ich ſie auch nicht zu ſpielen habe, ich übe die
alten, die ich durch und durch kenne, fleißi¬
W. Meiſters Lehrj. 2. A a
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/378>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.