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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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ger und fleißiger, ins Einzelne, und übe und
übe -- mein Freund, mein Vertrauter, wel¬
che entsetzliche Arbeit ist es, sich mit Gewalt
von sich selbst zu entfernen! Mein Verstand
leidet, mein Gehirn ist so angespannt; um
mich vom Wahnsinne zu retten, überlaß ich
mich wieder dem Gefühle, daß ich ihn lie¬
be. -- Ja, ich liebe ihn, ich liebe ihn! rief
sie unter tausend Thränen, ich liebe ihn, und
so will ich sterben.

Er faßte sie bey der Hand, und bat sie
auf das inständigste, sich nicht selbst aufzu¬
reiben. O, sagte er, wie sonderbar ist es,
daß dem Menschen nicht allein so manches
Unmögliche, sondern auch so manches Mög¬
liche versagt ist. Sie waren nicht bestimmt,
ein treues Herz zu finden, das Ihre ganze
Glückseeligkeit würde gemacht haben. Ich
war dazu bestimmt, das ganze Heil meines
Lebens an eine Unglückliche festzuknüpfen, die

ger und fleißiger, ins Einzelne, und übe und
übe — mein Freund, mein Vertrauter, wel¬
che entſetzliche Arbeit iſt es, ſich mit Gewalt
von ſich ſelbſt zu entfernen! Mein Verſtand
leidet, mein Gehirn iſt ſo angeſpannt; um
mich vom Wahnſinne zu retten, überlaß ich
mich wieder dem Gefühle, daß ich ihn lie¬
be. — Ja, ich liebe ihn, ich liebe ihn! rief
ſie unter tauſend Thränen, ich liebe ihn, und
ſo will ich ſterben.

Er faßte ſie bey der Hand, und bat ſie
auf das inſtändigſte, ſich nicht ſelbſt aufzu¬
reiben. O, ſagte er, wie ſonderbar iſt es,
daß dem Menſchen nicht allein ſo manches
Unmögliche, ſondern auch ſo manches Mög¬
liche verſagt iſt. Sie waren nicht beſtimmt,
ein treues Herz zu finden, das Ihre ganze
Glückſeeligkeit würde gemacht haben. Ich
war dazu beſtimmt, das ganze Heil meines
Lebens an eine Unglückliche feſtzuknüpfen, die

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[370/0379] ger und fleißiger, ins Einzelne, und übe und übe — mein Freund, mein Vertrauter, wel¬ che entſetzliche Arbeit iſt es, ſich mit Gewalt von ſich ſelbſt zu entfernen! Mein Verſtand leidet, mein Gehirn iſt ſo angeſpannt; um mich vom Wahnſinne zu retten, überlaß ich mich wieder dem Gefühle, daß ich ihn lie¬ be. — Ja, ich liebe ihn, ich liebe ihn! rief ſie unter tauſend Thränen, ich liebe ihn, und ſo will ich ſterben. Er faßte ſie bey der Hand, und bat ſie auf das inſtändigſte, ſich nicht ſelbſt aufzu¬ reiben. O, ſagte er, wie ſonderbar iſt es, daß dem Menſchen nicht allein ſo manches Unmögliche, ſondern auch ſo manches Mög¬ liche verſagt iſt. Sie waren nicht beſtimmt, ein treues Herz zu finden, das Ihre ganze Glückſeeligkeit würde gemacht haben. Ich war dazu beſtimmt, das ganze Heil meines Lebens an eine Unglückliche feſtzuknüpfen, die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/379>, abgerufen am 21.11.2024.