Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

distinguirt, und das mache ihn einbildisch, er
wähne, die deutsche Litteratur aus dem
Grunde zu kennen, und erlaube sich allerley
schaale Spöttereyen gegen dieselbe. Er, der
Baron, vermeide alle Unterredung mit ihm,
und Wilhelm werde wohl thun, sich auch
von ihm entfernt zu halten, denn am Ende
gebe er jedermann etwas ab. Man nenne
ihn Jarno, wisse aber nicht recht, was man
aus dem Namen machen solle.

Wilhelm hatte darauf nichts zu sagen,
denn er empfand gegen den Fremden, ob er
gleich etwas Kaltes und Abstoßendes hatte,
eine gewisse Neigung.

Die Gesellschaft wurde in dem Schlosse
eingetheilt, und Melina befahl sehr strenge,
sie sollten sich nunmehr ordentlich halten, die
Frauen sollten besonders wohnen, und jeder
nur auf seine Rollen, auf die Kunst sein
Augenmerk und seine Neigung richten. Er

diſtinguirt, und das mache ihn einbildiſch, er
wähne, die deutſche Litteratur aus dem
Grunde zu kennen, und erlaube ſich allerley
ſchaale Spöttereyen gegen dieſelbe. Er, der
Baron, vermeide alle Unterredung mit ihm,
und Wilhelm werde wohl thun, ſich auch
von ihm entfernt zu halten, denn am Ende
gebe er jedermann etwas ab. Man nenne
ihn Jarno, wiſſe aber nicht recht, was man
aus dem Namen machen ſolle.

Wilhelm hatte darauf nichts zu ſagen,
denn er empfand gegen den Fremden, ob er
gleich etwas Kaltes und Abſtoßendes hatte,
eine gewiſſe Neigung.

Die Geſellſchaft wurde in dem Schloſſe
eingetheilt, und Melina befahl ſehr ſtrenge,
ſie ſollten ſich nunmehr ordentlich halten, die
Frauen ſollten beſonders wohnen, und jeder
nur auf ſeine Rollen, auf die Kunſt ſein
Augenmerk und ſeine Neigung richten. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0062" n="54"/>
di&#x017F;tinguirt, und das mache ihn einbildi&#x017F;ch, er<lb/>
wähne, die deut&#x017F;che Litteratur aus dem<lb/>
Grunde zu kennen, und erlaube &#x017F;ich allerley<lb/>
&#x017F;chaale Spöttereyen gegen die&#x017F;elbe. Er, der<lb/>
Baron, vermeide alle Unterredung mit ihm,<lb/>
und Wilhelm werde wohl thun, &#x017F;ich auch<lb/>
von ihm entfernt zu halten, denn am Ende<lb/>
gebe er jedermann etwas ab. Man nenne<lb/>
ihn Jarno, wi&#x017F;&#x017F;e aber nicht recht, was man<lb/>
aus dem Namen machen &#x017F;olle.</p><lb/>
            <p>Wilhelm hatte darauf nichts zu &#x017F;agen,<lb/>
denn er empfand gegen den Fremden, ob er<lb/>
gleich etwas Kaltes und Ab&#x017F;toßendes hatte,<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Neigung.</p><lb/>
            <p>Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wurde in dem Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
eingetheilt, und Melina befahl &#x017F;ehr &#x017F;trenge,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ollten &#x017F;ich nunmehr ordentlich halten, die<lb/>
Frauen &#x017F;ollten be&#x017F;onders wohnen, und jeder<lb/>
nur auf &#x017F;eine Rollen, auf die Kun&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
Augenmerk und &#x017F;eine Neigung richten. Er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] diſtinguirt, und das mache ihn einbildiſch, er wähne, die deutſche Litteratur aus dem Grunde zu kennen, und erlaube ſich allerley ſchaale Spöttereyen gegen dieſelbe. Er, der Baron, vermeide alle Unterredung mit ihm, und Wilhelm werde wohl thun, ſich auch von ihm entfernt zu halten, denn am Ende gebe er jedermann etwas ab. Man nenne ihn Jarno, wiſſe aber nicht recht, was man aus dem Namen machen ſolle. Wilhelm hatte darauf nichts zu ſagen, denn er empfand gegen den Fremden, ob er gleich etwas Kaltes und Abſtoßendes hatte, eine gewiſſe Neigung. Die Geſellſchaft wurde in dem Schloſſe eingetheilt, und Melina befahl ſehr ſtrenge, ſie ſollten ſich nunmehr ordentlich halten, die Frauen ſollten beſonders wohnen, und jeder nur auf ſeine Rollen, auf die Kunſt ſein Augenmerk und ſeine Neigung richten. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/62
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/62>, abgerufen am 24.11.2024.