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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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die Verfassung eines überraschten, erschreck¬
ten, von Entsetzen ergriffenen Gemüths ein¬
zig auszudrücken schien.

"Sey du ein guter Geist, sey ein ver¬
dammter Kobold, bringe Düfte des Himmels
mit dir oder Dämpfe der Hölle, sey Gutes
oder Böses dein Beginnen, du kommst in
so einer würdigen Gestalt, ja ich rede mit
dir, ich nenne dich Hamlet, König, Vater, o
antworte mir!" --

Man spürte im Publiko die größte Wir¬
kung. Der Geist winkte, der Prinz folgte
ihm unter dem lautesten Beyfall.

Das Theater verwandelte sich, und als
sie auf den entfernten Platz kamen, hielt der
Geist unvermuthet inne und wandte sich
um; dadurch kam ihm Hamlet etwas zu
nahe zu stehen. Mit Verlangen und Neu¬
gierde sah Wilhelm sogleich zwischen das
niedergelassene Visir hinein, konnte aber nur

tief¬

die Verfaſſung eines überraſchten, erſchreck¬
ten, von Entſetzen ergriffenen Gemüths ein¬
zig auszudrücken ſchien.

»Sey du ein guter Geiſt, ſey ein ver¬
dammter Kobold, bringe Düfte des Himmels
mit dir oder Dämpfe der Hölle, ſey Gutes
oder Böſes dein Beginnen, du kommſt in
ſo einer würdigen Geſtalt, ja ich rede mit
dir, ich nenne dich Hamlet, König, Vater, o
antworte mir!» —

Man ſpürte im Publiko die größte Wir¬
kung. Der Geiſt winkte, der Prinz folgte
ihm unter dem lauteſten Beyfall.

Das Theater verwandelte ſich, und als
ſie auf den entfernten Platz kamen, hielt der
Geiſt unvermuthet inne und wandte ſich
um; dadurch kam ihm Hamlet etwas zu
nahe zu ſtehen. Mit Verlangen und Neu¬
gierde ſah Wilhelm ſogleich zwiſchen das
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[112/0118] die Verfaſſung eines überraſchten, erſchreck¬ ten, von Entſetzen ergriffenen Gemüths ein¬ zig auszudrücken ſchien. »Sey du ein guter Geiſt, ſey ein ver¬ dammter Kobold, bringe Düfte des Himmels mit dir oder Dämpfe der Hölle, ſey Gutes oder Böſes dein Beginnen, du kommſt in ſo einer würdigen Geſtalt, ja ich rede mit dir, ich nenne dich Hamlet, König, Vater, o antworte mir!» — Man ſpürte im Publiko die größte Wir¬ kung. Der Geiſt winkte, der Prinz folgte ihm unter dem lauteſten Beyfall. Das Theater verwandelte ſich, und als ſie auf den entfernten Platz kamen, hielt der Geiſt unvermuthet inne und wandte ſich um; dadurch kam ihm Hamlet etwas zu nahe zu ſtehen. Mit Verlangen und Neu¬ gierde ſah Wilhelm ſogleich zwiſchen das niedergelaſſene Viſir hinein, konnte aber nur tief¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/118>, abgerufen am 16.05.2024.