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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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schwere Harfe umgehangen und spielte sie,
indem er sie vor sich trug. Sie zogen um
den Tisch und sangen allerley Lieder. Man
gab ihnen zu essen und die Gäste glaubten
den Kindern eine Wohlthat zu erzeigen,
wenn sie ihnen so viel süßen Wein gäben,
als sie nur trinken wollten. Denn die Ge¬
sellschaft selbst hatte die köstlichen Flaschen
nicht geschont, welche diesen Abend, als ein
Geschenk der Theaterfreunde, in einigen Kör¬
ben angekommen waren. Die Kinder spran¬
gen und sangen fort und besonders war
Mignon ausgelassen, wie man sie niemals
gesehen. Sie schlug das Tambourin mit al¬
ler möglichen Zierlichkeit und Lebhaftigkeit,
indem sie bald mit druckendem Finger auf
dem Felle schnell hin und her schnurrte, bald
mit dem Rücken der Hand bald mit den
Knöcheln drauf pochte, ja mit abwechselnden
Rhytmen das Pergament bald wider die

ſchwere Harfe umgehangen und ſpielte ſie,
indem er ſie vor ſich trug. Sie zogen um
den Tiſch und ſangen allerley Lieder. Man
gab ihnen zu eſſen und die Gäſte glaubten
den Kindern eine Wohlthat zu erzeigen,
wenn ſie ihnen ſo viel ſüßen Wein gäben,
als ſie nur trinken wollten. Denn die Ge¬
ſellſchaft ſelbſt hatte die köſtlichen Flaſchen
nicht geſchont, welche dieſen Abend, als ein
Geſchenk der Theaterfreunde, in einigen Kör¬
ben angekommen waren. Die Kinder ſpran¬
gen und ſangen fort und beſonders war
Mignon ausgelaſſen, wie man ſie niemals
geſehen. Sie ſchlug das Tambourin mit al¬
ler möglichen Zierlichkeit und Lebhaftigkeit,
indem ſie bald mit druckendem Finger auf
dem Felle ſchnell hin und her ſchnurrte, bald
mit dem Rücken der Hand bald mit den
Knöcheln drauf pochte, ja mit abwechſelnden
Rhytmen das Pergament bald wider die

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[122/0128] ſchwere Harfe umgehangen und ſpielte ſie, indem er ſie vor ſich trug. Sie zogen um den Tiſch und ſangen allerley Lieder. Man gab ihnen zu eſſen und die Gäſte glaubten den Kindern eine Wohlthat zu erzeigen, wenn ſie ihnen ſo viel ſüßen Wein gäben, als ſie nur trinken wollten. Denn die Ge¬ ſellſchaft ſelbſt hatte die köſtlichen Flaſchen nicht geſchont, welche dieſen Abend, als ein Geſchenk der Theaterfreunde, in einigen Kör¬ ben angekommen waren. Die Kinder ſpran¬ gen und ſangen fort und beſonders war Mignon ausgelaſſen, wie man ſie niemals geſehen. Sie ſchlug das Tambourin mit al¬ ler möglichen Zierlichkeit und Lebhaftigkeit, indem ſie bald mit druckendem Finger auf dem Felle ſchnell hin und her ſchnurrte, bald mit dem Rücken der Hand bald mit den Knöcheln drauf pochte, ja mit abwechſelnden Rhytmen das Pergament bald wider die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/128>, abgerufen am 15.05.2024.